23.10.2012 Aufrufe

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 67<br />

ihren intentionalen Gehalt 46 , behalten jedoch einen Großteil ihres phäno<br />

menalen Gehalts <strong>und</strong> werden dadurch zu mentalen Simulaten. Wenn das<br />

richtig ist, müßte imaginalen Repräsentaten wie zum Beispiel Vorstel<br />

lungsbildern der qualitative „Signalaspekt“ fehlen, der Präsentate aus<br />

zeichnet. Und in der Tat sind für die meisten von uns absichtlich vorge<br />

stellte Schmerzen nicht wirklich schmerzhaft <strong>und</strong> imaginierte Erdbeeren<br />

nicht wirklich rot 47 (außer wir sind von Geburt an Eidetiker oder haben<br />

unser Gehirn durch Visualisierungsübungen trainiert). Zudem werden bei<br />

absichtlich eingeleiteten mentalen Simulationen die phänomenalen Quali<br />

täten der „Gegebenheit“ <strong>und</strong> „Instantanität“ in wesentlich schwächerem<br />

Ausmaß erzeugt.<br />

Organismen, die Simulate nicht als solche erkennen <strong>und</strong> für Repräsentate<br />

bzw. Präsentate halten, träumen oder halluzinieren. Und tatsächlich ent<br />

stehen solche mentalen Zustände sehr oft dadurch, daß durch die Enthem<br />

munggewisser Hirnbereiche starke interne Signalquellen ins Leben gerufen<br />

werden. In solchen Situationen ist es dem menschlichen Gehirn allem<br />

Anschein nach nicht möglich, diese Reize als interne zu repräsentieren.<br />

Deswegen haben wir in Träumen, bei Psychosen oder unter dem Einfluß<br />

psychoaktiver Substanzen auch manchmal wirklich Angst. 48 Andererseits<br />

gibt es auch pathologische Zustände, in denen Repräsentate als Simulate<br />

erscheinen <strong>und</strong> die Unterscheidung zwischen phänomenalem Innen <strong>und</strong><br />

phänomenalem Außen auf die umgekehrte Weise verschwindet.<br />

Es erscheint in diesem Zusammenhang wichtig, die genetische <strong>und</strong> die<br />

logische Dimension des Phänomens „mentale Simulation“ deutlich zu<br />

trennen. Die Entwicklungsgeschichte mentaler Zustände von rudimentären<br />

Urformen zu immer komplexeren Makro Repräsentaten, deren Aktivie<br />

rung die Instantiierung immer neuer <strong>und</strong> höherer psychologischer Eigen<br />

schaften nach sich zieht, war eine biologische Geschichte. Unter dem Selek<br />

tionsdruck der biologischen Umwelt entstanden immer neue <strong>und</strong> immer<br />

erfolgreichere Formen mentalen Gehalts. 49 Vielleicht kann man die Genese<br />

46 Das soll heißen: Sie stellen für das System nicht mehr die wirkliche Welt dar. Wenn<br />

unsere Ontologie Abstrakta wie zum Beispiel mögliche Welten umfaßt, dann können wir hier<br />

auch weiterhin von einer echten Repräsentationsbeziehung sprechen falls wir angeben<br />

können, was in diesem Fall die „Standard Kausalketten“ sind.<br />

47 Man kann sagen: Imaginierte Schmerzen <strong>und</strong> Roterlebnisse sind unterdeterminierteoder<br />

nicht vollständig individuierte mentale Entitäten.<br />

48 Eine Ausnahme bilden Zustände, in denen das System Simulate als solche klassifiziert,<br />

der Zustand aber trotzdem weiter andauert. Beispiel für solche repräsentationalen Situationen<br />

in denen Zustandsklarheit herrscht, obwohl das System von Artefakten überschwemmt wird<br />

sind Pseudo Halluzinationen (vgl. Abschnitt 2.3.2) <strong>und</strong> Klarträume (vgl. Abschnitt 3.2.2).<br />

49 Viele Autoren haben auf die biologische Funktionalität von mentalem Gehalt hingewie<br />

sen. Colin McGinn betont, daß das, was er in Anlehnung an Ruth Millikan die „relationale<br />

Eigenfunktion“ repräsentationaler mentaler Zustände nennt, mit ihrem extrinsisch indivi<br />

duierten Gehalt koinzidiert (zum Beispiel 1989: 147), d. h. daß die Relationalität von menta<br />

lem Gehalt die Relationalität des begleitenden biologischen Zustands reflektiert. Diese Sicht<br />

weisen sind der von mir in diesem Kapitel entwickelten Perspektive auf mentale Modelle als<br />

abstrakten Organen eng verwandt. Vgl. McGinn 1989; außerdem Churchland, P.S. 1986,<br />

Dretske 1986, Fodor 1984, Millikan 1984, Papineau 1987, Stich 1992.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!