23.10.2012 Aufrufe

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

64<br />

2. Kapitel<br />

deutlicht sie doch, wie sehr effektive Repräsentate introspektiv nicht mehr<br />

als solche erkennbar sein könnten.<br />

Fassen wir kurz zusammen: Soll der Gehalt phänomenaler Zustände als<br />

Produkt mentaler Repräsentation analysiert werden, so muß die interes<br />

sante „prototypische“ Klasse von Repräsentaten sich durch Dynamizität,<br />

Analogizität 38 , Multimodalität bzw. Formatintegration, wechselseitige Ein<br />

bettbarkeit, partielle Identität der relationalen Struktur mit der ihrer Re<br />

präsentanda durch geeignete Verknüpfung mit anderen Repäsentaten,<br />

durch Simulationsfähigkeit <strong>und</strong> durch die van Gulicksche „semantische<br />

Transparenz“ auszeichnen. Daß ein mentales Repräsentat zu dieser hypo<br />

thetischen Klasse 39 phänomenaler Repräsentate gehört, heißt nicht, daß es<br />

sich durch alle diese Eigenschaften auszeichnen muß. So ist zum Beispiel<br />

die Eigenschaft „der semantischen Transparenz“ am stärksten ausgeprägt<br />

bei mentalen Repräsentaten aus den Sinnesmodulen. Hier sind die phäno<br />

menalen Qualitäten der Konkretheit <strong>und</strong> Objekthaftigkeit am prägnante<br />

sten: Es ist wesentlich schwieriger, das Buch, das Sie gerade in ihren Hän<br />

den halten, als intern generierten Zustand zu erkennen, als die beim Lesen<br />

entstehenden Gedanken <strong>und</strong> Gefühle. Das liegt nicht nur daran, daß Ihr<br />

visueller Cortex dieses Buch unter den Standardbedingungen des nicht<br />

pathologischen Wachzustandes als externes Objekt repräsentiert. Die<br />

Ursache für dieses mentale Phänomen liegt auch in der Geschwindigkeit<br />

der jeweiligen Hirnfunktionen. 40 Beim Menschen arbeiten die (stammesge<br />

schichtlich älteren) Sinnesmodule wesentlich schneller <strong>und</strong> effizienter als<br />

etwa die Sprachzentren. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist es was sinnliche Wahrneh<br />

mungen angeht für das Gehirn fast unmöglich, den zur Aktivierung eines<br />

mentalen Repräsentats führenden Konstruktionsprozeß selbst noch einmal<br />

mental zu repräsentieren. Höhere mentale Vorgänge wie zum Beispiel die<br />

episodisch auftretenden „Gedankenketten“ dagegen zeichnen sich auch<br />

subjektiv durch Prozessualität 41 aus: Wenn wir denken, geschieht etwas<br />

<strong>und</strong> zwar in uns. Auch der Gehalt unserer Gedanken verändert sich noch,<br />

38 Zum Begriff der „analogen Repräsentation“ in bezug auf die menschliche Wissensdar<br />

stellung <strong>und</strong> die ihm entsprechenden empirischen Bef<strong>und</strong>e vgl. Steiner 1988.<br />

39 Es ist natürlich klar, daß die genauere Auszeichnung dieser Klasse eine primär empiri<br />

sche Frage ist.<br />

40 Gehaltskonstanz von Repräsentaten ist das Ergebnis dynamischer Musterwiederholung.<br />

Ist die Frequenz der Musterwiederholung zu hoch für das zeitliche Auflösungsvermögen der<br />

jeweiligen Metarepräsentationsfunktion, dann entsteht ähnlich wie beim Fernsehbild auf<br />

der phänomenalen Ebene eine Kontinuitätsillusion.<br />

41 Die Prozessualität des Mentalen ist eines der größten Probleme für behavioristische<br />

Dispositionsanalysen à la Ryle: Dispositionen besitzen keinerlei Prozeßcharakter. Vgl. Ryle<br />

1949. Die Prozessualität mancher mentaler Inhalte geht auch in Beschreibungen durch Pro<br />

gramm Listings oder Turing Maschinentafeln verloren. Für konnektionistische Systeme dage<br />

gen läßt sich ein präzise Beschreibung des Prozesses geben, durch den ein lernendes System<br />

sich unter den jeweils gegebenen Einschränkungen in seinen energieärmsten Zustand begibt<br />

<strong>und</strong> dadurch den Input interpretiert: Als Trajektorie durch den Zustandsraum (bei der Be<br />

trachtung mehrerer Lernzyklen als Trajektorie im Gewichtungsraum).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!