Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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2. Kapitel<br />
deutlicht sie doch, wie sehr effektive Repräsentate introspektiv nicht mehr<br />
als solche erkennbar sein könnten.<br />
Fassen wir kurz zusammen: Soll der Gehalt phänomenaler Zustände als<br />
Produkt mentaler Repräsentation analysiert werden, so muß die interes<br />
sante „prototypische“ Klasse von Repräsentaten sich durch Dynamizität,<br />
Analogizität 38 , Multimodalität bzw. Formatintegration, wechselseitige Ein<br />
bettbarkeit, partielle Identität der relationalen Struktur mit der ihrer Re<br />
präsentanda durch geeignete Verknüpfung mit anderen Repäsentaten,<br />
durch Simulationsfähigkeit <strong>und</strong> durch die van Gulicksche „semantische<br />
Transparenz“ auszeichnen. Daß ein mentales Repräsentat zu dieser hypo<br />
thetischen Klasse 39 phänomenaler Repräsentate gehört, heißt nicht, daß es<br />
sich durch alle diese Eigenschaften auszeichnen muß. So ist zum Beispiel<br />
die Eigenschaft „der semantischen Transparenz“ am stärksten ausgeprägt<br />
bei mentalen Repräsentaten aus den Sinnesmodulen. Hier sind die phäno<br />
menalen Qualitäten der Konkretheit <strong>und</strong> Objekthaftigkeit am prägnante<br />
sten: Es ist wesentlich schwieriger, das Buch, das Sie gerade in ihren Hän<br />
den halten, als intern generierten Zustand zu erkennen, als die beim Lesen<br />
entstehenden Gedanken <strong>und</strong> Gefühle. Das liegt nicht nur daran, daß Ihr<br />
visueller Cortex dieses Buch unter den Standardbedingungen des nicht<br />
pathologischen Wachzustandes als externes Objekt repräsentiert. Die<br />
Ursache für dieses mentale Phänomen liegt auch in der Geschwindigkeit<br />
der jeweiligen Hirnfunktionen. 40 Beim Menschen arbeiten die (stammesge<br />
schichtlich älteren) Sinnesmodule wesentlich schneller <strong>und</strong> effizienter als<br />
etwa die Sprachzentren. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist es was sinnliche Wahrneh<br />
mungen angeht für das Gehirn fast unmöglich, den zur Aktivierung eines<br />
mentalen Repräsentats führenden Konstruktionsprozeß selbst noch einmal<br />
mental zu repräsentieren. Höhere mentale Vorgänge wie zum Beispiel die<br />
episodisch auftretenden „Gedankenketten“ dagegen zeichnen sich auch<br />
subjektiv durch Prozessualität 41 aus: Wenn wir denken, geschieht etwas<br />
<strong>und</strong> zwar in uns. Auch der Gehalt unserer Gedanken verändert sich noch,<br />
38 Zum Begriff der „analogen Repräsentation“ in bezug auf die menschliche Wissensdar<br />
stellung <strong>und</strong> die ihm entsprechenden empirischen Bef<strong>und</strong>e vgl. Steiner 1988.<br />
39 Es ist natürlich klar, daß die genauere Auszeichnung dieser Klasse eine primär empiri<br />
sche Frage ist.<br />
40 Gehaltskonstanz von Repräsentaten ist das Ergebnis dynamischer Musterwiederholung.<br />
Ist die Frequenz der Musterwiederholung zu hoch für das zeitliche Auflösungsvermögen der<br />
jeweiligen Metarepräsentationsfunktion, dann entsteht ähnlich wie beim Fernsehbild auf<br />
der phänomenalen Ebene eine Kontinuitätsillusion.<br />
41 Die Prozessualität des Mentalen ist eines der größten Probleme für behavioristische<br />
Dispositionsanalysen à la Ryle: Dispositionen besitzen keinerlei Prozeßcharakter. Vgl. Ryle<br />
1949. Die Prozessualität mancher mentaler Inhalte geht auch in Beschreibungen durch Pro<br />
gramm Listings oder Turing Maschinentafeln verloren. Für konnektionistische Systeme dage<br />
gen läßt sich ein präzise Beschreibung des Prozesses geben, durch den ein lernendes System<br />
sich unter den jeweils gegebenen Einschränkungen in seinen energieärmsten Zustand begibt<br />
<strong>und</strong> dadurch den Input interpretiert: Als Trajektorie durch den Zustandsraum (bei der Be<br />
trachtung mehrerer Lernzyklen als Trajektorie im Gewichtungsraum).