Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 63<br />
über einem Problem 34 , Tagträume (etwa die subjektive Erzeugung objekti<br />
ver Selbste) oder scheinbar nutzlose innere Monologe. Vielleicht kann man<br />
sich den spezifischen Vorgang interner Simulation mit Hilfe mentaler Re<br />
präsentate so vorstellen, daß ein bestimmtes interessantes Repräsentat pro<br />
beweise in das aktuelle Gesamtmodell der Welt eingebettet wird. Durch<br />
Metarepräsentation 35 kann dann festgestellt werden, wie sich durch diese<br />
Einbettung einer neuen relationalen Struktur der Gehalt anderer Repräsen<br />
tate verändert. Damit solche internen Simulationen realistisch <strong>und</strong> biolo<br />
gisch erfolgreich sind, müssen sie in den meisten Fällen ein kritisches<br />
Ausmaß von Strukturgleicheit mit der Zielsituation erzeugen. 36 Dies wie<br />
derum hängt davon ab, daß mentale Repräsentate möglichst viele der über<br />
lebensrelevanten relationalen Eigenschaften ihrer externen Repräsentanda<br />
durch ihre eigene relationale Struktur wiedergeben.<br />
Obwohl mentale Repräsentate wechselseitig ineinander einbettbar sein<br />
müssen, dürfen sie das System nicht über iterative Prozesse in Endlos<br />
schleifen führen <strong>und</strong> dadurch paralysieren. Die Natur muß infinite Regres<br />
se vermeiden, <strong>und</strong> darin mag der Gr<strong>und</strong> für die vielleicht interessanteste<br />
Eigenschaft mentaler Repräsentate liegen: Sie sind uns fast nie als solche<br />
introspektiv gegeben, sie sind selbst referentiell opak. Das bedeutet: Sie<br />
werden so zuverlässig <strong>und</strong> schnell aktiviert, daß wir um einen Ausdruck<br />
von Robert van Gulick zu verwenden 37 normalerweise durch sie hindurch<br />
schauen. Obwohl diese Metapher einen Homunkulus ins Leben ruft, ver<br />
34 Nachdenken könnte die interne Simulation der externen Manipulation physikalisch dis<br />
kreter Symbol tokens sein. Vgl. Abschnitt 2.2.1, Bechtel ⁄ Abrahamsen 1991, Helm 1990,<br />
Goschke⁄ Koppelberg 1990: 267. Johnson Laird liefert empirische Belege für die Rolle menta<br />
ler Modelle während des inferentiellen „Nachdenkens“ über ein Problem. Vgl. Johnson Laird<br />
1983, 1989.<br />
35 Dies könnte eine evolutionär relevante Rolle von Bewußtsein gewesen sein. Vgl. Ab<br />
schnitt 2.1.4.<br />
36 Für Meinungen hat Peter Bieri darauf hingewiesen, daß aus ihrer funktionalen Adäqua<br />
theit nicht ihre Wahrheit folgt, weil sogar falsche Meinungen funktional adäquat sein können.<br />
Mutatis mutandis gilt dies auch für mentale Simulationen: Illusionen etwa bezüglich der<br />
Eigenschaften intern simulierter Zielzustände können biologisch adäquat sein. Vgl. Bieri<br />
1987a: 137, 1987b: 61ff.<br />
37 Vgl. Van Gulick 1988: 178. Van Gulick bezeichnet diese Eigenschaft auch als „semanti<br />
sche Transparenz“: Der intentionale Gehalt ist meist so schnell <strong>und</strong> deutlich gegeben, daß wir<br />
meinen, es mit dem Repräsentandum direkt zu tun zu haben. Es scheint so zu sein, daß die<br />
phylogenetisch ältesten, zuverlässigsten <strong>und</strong> schnellsten Repräsentate (etwa aus den Sinnes<br />
modulen) auch den höchsten Grad an semantischer Transparenz aufweisen, d. h. introspektiv<br />
am schwersten als Konstrukte zu entlarven sind. Man darf den Gulickschen Begriff der<br />
„semantischen Transparenz“ nicht mit dem von Andy Clark verwechseln. Clark möchte mit<br />
ihm klassische kognitivistische Systeme im Sinne von Fodor <strong>und</strong> Pylyshyn auszeichnen, die<br />
eine interne Syntax besitzen <strong>und</strong> eine regelgeleitete Transformation von Symbolen durchfüh<br />
ren, welche auf formalen Eigenschaften mentaler Repräsentate beruht. Die Einführung des<br />
Terms „semantisch transparentes System“ (STS) geschieht hier in Anlehnung an Arbeiten<br />
von Smolensky; vgl. Smolensky 1987, 1988 mit der Zielsetzung der Abgrenzung solcher<br />
Systeme gegenüber konnektionistischen Systemen, die repräsentationalen Gehalt intern durch<br />
„verborgene Einheiten“ darstellen. Vgl. Clark 1989: 17 21, 111 120.