Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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2. Kapitel<br />
tationalen Gesamtzustandes 30 werden können. Diese Eigenschaft der wech<br />
selseitigen Einbettbarkeit mentaler Repräsentate besitzt (wie wir noch se<br />
hen werden) große Bedeutung für <strong>Subjekt</strong>ivität als einer relationalen Eigen<br />
schaft.<br />
Mentale Repräsentate sind gute Repräsentate, wenn sie für den Evolu<br />
tionserfolg wichtige kausale Eigenschaften der Systemumwelt erfolgreich<br />
<strong>und</strong> zuverlässig abbilden. Darum habe ich auch sie als von Biosystemen<br />
entwickelte abstrakte Organe bezeichnet: Mentaler Gehalt wird zum Instru<br />
ment eines Systems. Die Umwelt besteht aber aus einem extrem komplexen<br />
Netzwerk kausaler Relationen, von denen ein Teil direkt überlebensrele<br />
vant ist. Deswegen muß diese relationale Struktur sowohl einzelner Reprä<br />
sentanda als auch der biologischen Umwelt als Ganzer intern repräsentiert<br />
werden. Mentale Repräsentate müssen systematisch mit anderen Reprä<br />
sentaten verknüpft sein; sie müssen eine partielle relationale Homomorphie<br />
zu ihren Repräsentanda besitzen, wenn sie biologisch nützlich sein sol<br />
len.<br />
Bei primitiven Biosystemen mag es so sein, daß es nur interne Präsenta<br />
tion 31 gibt. Solche Organismen wären in einem ewigen Jetzt gefangen, der<br />
Gehalt ihrer mentalen Zustände bezöge sich nur auf aktuell gegebene Reiz<br />
quellen. Will man dagegen Gedächtnis <strong>und</strong> höhere kognitive Leistungen<br />
wie die interne Repräsentation von Zielzuständen („Zukunftsplanung“) als<br />
biologische Phänomene erklären, dann muß man für das System eine Mög<br />
lichkeit annehmen, komplexe mentale Repräsentate unabhängig vom dau<br />
ernden Strom des Inputs 32 zu erzeugen. Da das System hierzu nicht oder<br />
nur begrenzt auf den Informationsfluß aus den Sinnesmodulen zugreifen<br />
kann, wird es sich dabei die eben erwähnte relationale Struktur der menta<br />
len Repräsentate zunutze machen. Das heißt: Mentale Repräsentate müs<br />
sen interne Simulationen komplexer, kontrafaktischer Situationen ermögli<br />
chen. Auf der phänomenalen Ebene finden sich reichhaltige Beispiele für<br />
mentale Simulationen 33 man denke an sexuelle Phantasien, das Grübeln<br />
30 Repräsentationale Gesamtzustände werden durch die Gesamtheit aller zu einem gegebe<br />
nen Zeitpunkt bewußt erlebten mentalen Modelle gebildet. Sie bestehen aus dem aktuellen<br />
Weltmodell <strong>und</strong> dem aktuellen <strong>Selbstmodell</strong> <strong>und</strong> bilden das gegenwärtige Realitätsmodell des<br />
Systems. Repräsentationale Gesamtzustände sind Zustände von Realitätsmodellen, d. h. von<br />
bewußt erlebten Makro Repräsentaten. Kann man für ein gegebenes System eine Reihe von<br />
diskreten, strukturell definierten Makro Repräsentaten unterscheiden, so kennzeichnet man<br />
Elemente der Menge der diesem System möglichen Bewußtseinszustände. Vgl. Abschnitt<br />
2.3.1.<br />
31 Vgl. Abschnitt 2.1.3.<br />
32 Daß dies ein Problem darstellt, sieht man schon daran, daß es tagsüber schwieriger ist, zu<br />
träumen, als nachts. Realitätsmodelle sind desto plastischer, je weniger sie durch den aktuel<br />
len Input <strong>und</strong> die funktionale Architektur des Systems determiniert werden. Das Beispiel des<br />
Traums zeigt, daß Plastizität häufig Instabilität <strong>und</strong> niedrigen epistemischen Gehalt bedeu<br />
tet. 33 Nach der oben angebotenen Definition von mentaler Repräsentation sind mentale Si<br />
mulationen keine Fälle von Repräsentation, da es für sie keine aktuellen Repräsentanda gibt.<br />
Mentale Repräsentate können also sogar zu Instrumenten in nicht repräsentationalen Situa<br />
tionen werden, zum Beispiel bei der Zukunftsplanung. Vgl. Abschnitt 2.1.2.