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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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62<br />

2. Kapitel<br />

tationalen Gesamtzustandes 30 werden können. Diese Eigenschaft der wech<br />

selseitigen Einbettbarkeit mentaler Repräsentate besitzt (wie wir noch se<br />

hen werden) große Bedeutung für <strong>Subjekt</strong>ivität als einer relationalen Eigen<br />

schaft.<br />

Mentale Repräsentate sind gute Repräsentate, wenn sie für den Evolu<br />

tionserfolg wichtige kausale Eigenschaften der Systemumwelt erfolgreich<br />

<strong>und</strong> zuverlässig abbilden. Darum habe ich auch sie als von Biosystemen<br />

entwickelte abstrakte Organe bezeichnet: Mentaler Gehalt wird zum Instru<br />

ment eines Systems. Die Umwelt besteht aber aus einem extrem komplexen<br />

Netzwerk kausaler Relationen, von denen ein Teil direkt überlebensrele<br />

vant ist. Deswegen muß diese relationale Struktur sowohl einzelner Reprä<br />

sentanda als auch der biologischen Umwelt als Ganzer intern repräsentiert<br />

werden. Mentale Repräsentate müssen systematisch mit anderen Reprä<br />

sentaten verknüpft sein; sie müssen eine partielle relationale Homomorphie<br />

zu ihren Repräsentanda besitzen, wenn sie biologisch nützlich sein sol<br />

len.<br />

Bei primitiven Biosystemen mag es so sein, daß es nur interne Präsenta<br />

tion 31 gibt. Solche Organismen wären in einem ewigen Jetzt gefangen, der<br />

Gehalt ihrer mentalen Zustände bezöge sich nur auf aktuell gegebene Reiz<br />

quellen. Will man dagegen Gedächtnis <strong>und</strong> höhere kognitive Leistungen<br />

wie die interne Repräsentation von Zielzuständen („Zukunftsplanung“) als<br />

biologische Phänomene erklären, dann muß man für das System eine Mög<br />

lichkeit annehmen, komplexe mentale Repräsentate unabhängig vom dau<br />

ernden Strom des Inputs 32 zu erzeugen. Da das System hierzu nicht oder<br />

nur begrenzt auf den Informationsfluß aus den Sinnesmodulen zugreifen<br />

kann, wird es sich dabei die eben erwähnte relationale Struktur der menta<br />

len Repräsentate zunutze machen. Das heißt: Mentale Repräsentate müs<br />

sen interne Simulationen komplexer, kontrafaktischer Situationen ermögli<br />

chen. Auf der phänomenalen Ebene finden sich reichhaltige Beispiele für<br />

mentale Simulationen 33 man denke an sexuelle Phantasien, das Grübeln<br />

30 Repräsentationale Gesamtzustände werden durch die Gesamtheit aller zu einem gegebe<br />

nen Zeitpunkt bewußt erlebten mentalen Modelle gebildet. Sie bestehen aus dem aktuellen<br />

Weltmodell <strong>und</strong> dem aktuellen <strong>Selbstmodell</strong> <strong>und</strong> bilden das gegenwärtige Realitätsmodell des<br />

Systems. Repräsentationale Gesamtzustände sind Zustände von Realitätsmodellen, d. h. von<br />

bewußt erlebten Makro Repräsentaten. Kann man für ein gegebenes System eine Reihe von<br />

diskreten, strukturell definierten Makro Repräsentaten unterscheiden, so kennzeichnet man<br />

Elemente der Menge der diesem System möglichen Bewußtseinszustände. Vgl. Abschnitt<br />

2.3.1.<br />

31 Vgl. Abschnitt 2.1.3.<br />

32 Daß dies ein Problem darstellt, sieht man schon daran, daß es tagsüber schwieriger ist, zu<br />

träumen, als nachts. Realitätsmodelle sind desto plastischer, je weniger sie durch den aktuel<br />

len Input <strong>und</strong> die funktionale Architektur des Systems determiniert werden. Das Beispiel des<br />

Traums zeigt, daß Plastizität häufig Instabilität <strong>und</strong> niedrigen epistemischen Gehalt bedeu<br />

tet. 33 Nach der oben angebotenen Definition von mentaler Repräsentation sind mentale Si<br />

mulationen keine Fälle von Repräsentation, da es für sie keine aktuellen Repräsentanda gibt.<br />

Mentale Repräsentate können also sogar zu Instrumenten in nicht repräsentationalen Situa<br />

tionen werden, zum Beispiel bei der Zukunftsplanung. Vgl. Abschnitt 2.1.2.

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