Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Mentale Repräsentation <strong>und</strong> phänomenale Zustände 61<br />
Bestandteile (zum Beispiel andere Lebewesen) verändern ihre Eigenschaf<br />
ten ständig, mit großer Geschwindigkeit <strong>und</strong> oft unvorhersehbar. Sollen<br />
mentaleRepräsentateeffektiveInstrumenteimKampfumsÜberleben<br />
sein, so müssen sie diese Dynamizität intern abbilden sie müssen selbst in<br />
einem gewissen Ausmaß dynamische Repräsentate sein. Das bedeutet: Sie<br />
müssen unabhängig von der Umgebung des Systems bzw. dem Strom des<br />
Inputs aktivierbar sein. 27<br />
Die Umwelt von Biosystemen besteht zu einem nicht unbeträchtlichen<br />
Teil aus Kontinua. Der Säuregehalt des Wassers oder der Adrenalinspiegel<br />
im Blut 28 sind allgemeine Hintergr<strong>und</strong>parameter, deren Schwankungen le<br />
benswichtig sein können. Für solche analogen Signale aus der Umwelt bzw.<br />
den Sinnesorganen muß es eine Möglichkeit der Intensitätsdarstellung ge<br />
ben. Das bedeutet, daß zumindest manche mentalen Repräsentate in der<br />
Lage sein sollten, die wechselnde Intensität oder Signalstärke abzubilden,<br />
mit der die jeweiligen Repräsentanda die Transduktoren beeinflussen. Ich<br />
werde für solche funktionalen Zustände in Abschnitt 2.1.3 den Begriff des<br />
Analog Indikators einführen.<br />
Um höhere kognitive Vorgänge einleiten zu können, müssen auch Ab<br />
strakta wie Klassen oder Relationen abgebildet werden. Das bedeutet: Es<br />
muß umfassende Repräsentate geben, die Datenstrukturen aus verschiede<br />
nen Modulen <strong>und</strong> Subsystemen des Gehirns integrieren, wie sie etwa den<br />
Sinnesorganen nachgeschaltet sind. Soll der phänomenale Gehalt unserer<br />
Erlebnisse vollständig auf mentale Repräsentation zurückgeführt werden,<br />
dann muß es multimodale Repräsentate geben. Um höhere Abstraktions<br />
leistungen (zum Beispiel Verallgemeinerungen oder Begriffsbildungen) zu<br />
erbringen, müssen aus Datenstrukturen verschiedener Herkunft <strong>und</strong> unter<br />
schiedlichen Formats Prototypen erzeugt werden.<br />
Die Notwendigkeit umfassender Repräsentate bedingt die Postulierung<br />
rekursiver Funktionen 29 , die mentale Repräsentate ineinander einbetten.<br />
DieempirischeFragelautethier,obesHinweiseaufsolcheFunktionen<br />
<strong>und</strong> die Art ihrer neurobiologischen Realisierung gibt. Aus theoretischer<br />
Perspektive muß einsichtig gemacht werden können, wie Teile der phäno<br />
menalen Wirklichkeit psychisch individuiert werden <strong>und</strong> wie sie zu Ele<br />
menten größerer Teilbereiche bei gleichzeitiger Homogenität des repräsen<br />
27 Auf die Frage der input unabhängigen Aktivierbarkeit mentaler Repräsentate gehe ich in<br />
Abschnitt 2.1.2 ein. Was uns derzeit noch von künstlichen Systemen unterscheidet, ist die<br />
Tatsache, daß wir über eine autonome innere repräsentationale Dynamik verfügen.<br />
28 Der Adrenalinspiegel ist hier als Repräsentandum gedacht. Interessant ist jedoch, daß er<br />
auch als Mechanismus der internen Repräsentation gesehen werden kann. Esgibt nicht statio<br />
näre Systeme der Infomationsübertragung <strong>und</strong> Verhaltenssteuerung wie das Immunsystem<br />
oder die Hormone, die für den Gehalt mancher mentaler Repräsentate mindestens eine<br />
ebenso große <strong>und</strong> bis heute weitgehend unverstandene Rolle spielen wie das Feuern<br />
einzelner Neuronen oder die Aktivierung von Zellverbänden.<br />
29 Johnson Laird hat auf die Notwendigkeit solcher Funktionen hingewiesen. Vgl. John<br />
son Laird 1983, 1989.