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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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56<br />

2. Kapitel<br />

sere sexuelle Erregung genießen möchten, wenn wir uns konzentrieren,<br />

wenn wir uns an etwas zu erinnern versuchen, wenn wir versuchen, heraus<br />

zufinden, was wir eigentlich wirklich wollen oder auch einfach, wenn wir<br />

gefragt werden, wie es uns geht. Es gibt zudem passive, nicht ziel sondern<br />

prozeßorientierte Typen von Introspektion, wie den Tagtraum oder ver<br />

schiedene Formen von Meditation. All diesen Bewußtseinszuständen ist<br />

gemeinsam, daß in ihnen mentale Zustände zu Objekten innerer Aufmerk<br />

samkeit gemacht werden <strong>und</strong> ihre Introspizierbarkeit ausgenutzt wird, um<br />

sie vorübergehend in den Brennpunkt subjektiven Erlebens zu rücken.<br />

Introspizierbarkeit ist eine notwendige phänomenologische Bedingung,<br />

wenn interne Systemzustände zu mentalen Zuständen werden <strong>und</strong> als sol<br />

che erklärt werden sollen. Phänomenologie allein ist aber nicht genug für<br />

eine moderne Theorie des Geistes. Die phänomenologische „Introspizier<br />

barkeit unter Standardbedingungen“ liefert uns keinen befriedigenden Be<br />

griff der Mentalität, weil sie die hinreichenden Bedingungen seiner Anwen<br />

dung nicht fixieren kann. Schließlich kennen wir Bewußtseinsinhalte von<br />

unseren Gehirnen erzeugte mentale Modelle von Objekten (d. h. als Ob<br />

jekte codierte Datenstrukturen) in unserer Umwelt , die wir unter Stan<br />

dardbedingungen niemals als introspizierbar erleben. Die Fortschritte der<br />

Neurowissenschaften haben mehr als deutlich gemacht, wie stark auch<br />

solche Inhalte in ihrem Auftreten <strong>und</strong> phänomenalen Gehalt durch die<br />

jeweiligen Eigenschaften des Gehirns determiniert sind. Die verschiedenen<br />

Typen von Halluzinationen, Agnosien <strong>und</strong> Neglekten 15 zeigen (ganz unab<br />

hängig von jeder theoretischen Position zum Leib Seele Problem) wie eng<br />

die Korrelation zwischen neuronalen <strong>und</strong> psychischen Zuständen ist <strong>und</strong><br />

wie stark die Determination „von unten“. Es gibt zum Beispiel Wahrneh<br />

mungserlebnisse von externen Objekten, die wir ausgehend von unserem<br />

präreflexiven Erleben niemals als „mental“ oder „introspizierbar“ bezeich<br />

nen würden. Die wissenschaftliche Forschung zeigt uns nun aber, daß auch<br />

diese Zustände unter abweichenden Bedingungen durchaus als mentale,<br />

innere oder „introspizierbare“ Zustände erlebt werden können. 16 Dies legt<br />

einen wichtigen Schluß nahe, der beim gegenwärtigen Stand des empiri<br />

schen Wissens <strong>und</strong> aller gebotenen Vorsicht bereits als gerechtfertigt er<br />

scheint: Der Prozeß der mentalen Repräsentation generiert in vielen Fällen<br />

(zum Beispiel im humanen Wachbewußtsein) sowohl Repräsentate, die aus<br />

der Perspektive der ersten Person als mental erlebt werden <strong>und</strong> potentielle<br />

Objekte von Introspektion <strong>und</strong> innerer Aufmerksamkeit sind, als auch<br />

Repräsentate, die als nicht mental bzw. externe Zustände erlebt werden.<br />

Mentale Repräsentation als aus der Dritte Person Perspektive des Kogni<br />

tionswissenschaftlers analysierter Vorgang führt also in bezug auf die<br />

15 In Abschnitt 2.3.2 werde ich einige solcher Fälle <strong>und</strong> ihre Bedeutung für eine naturalisti<br />

sche Theorie mentaler Repräsentation untersuchen.<br />

16 Das kann zum Beispiel bei Schizophrenien, Manien oder religiösen Erfahrungen der Fall<br />

sein.

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