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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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50<br />

2. Kapitel<br />

of Mind erhalten hat, gegen die zum Beispiel Lycan 1987 noch polemisiert) <strong>und</strong> „Darstellung“<br />

(vgl. zum Beispiel die heutige Debatte über piktoriale mentale Repräsentation in Block 1981,<br />

Finke 1989, Kosslyn 1980, Rehkämper 1990 oder Shephard ⁄ Chipman 1970). Wie Scheerer<br />

bemerkt, hat sich die technische philosophische Bedeutung von „Repräsentation“ erst durch<br />

die mittelalterliche Adaption der aristotelischen Philosophie entwickelt, während die termi<br />

nologischen Wurzeln von „mentaler Repräsentation“ bereits in einer Art „gelehrter Alltags<br />

psychologie“ zu finden sind (vgl. Scheerer 1990a: 8). Der philosophische Term der repraesen<br />

tatio besaß bereits vor der Neuzeit eine enorme Bedeutungsfülle <strong>und</strong> seine Geschichte bietet<br />

einen großen Reichtum an semantischem Wandel. Im Kontext der vorliegenden Arbeit ist die<br />

zentrale Bedeutungstransformation vielleicht die Verknüpfung des erkenntnistheoretischen<br />

Repräsentationalismus mit dem modernen Bewußtseinsbegriff: Sie ist eine der Wurzeln jener<br />

durch Descartes eingeleiteten terminologischen Revolution, die allerdings nicht nur eine<br />

terminologische, sondern auch eine f<strong>und</strong>amentale theoretische Umwälzung in der metaphysi<br />

schen Phase der Entwicklung des okzidentalen Geistbegriffs herbeiführte. Die Ideen werden<br />

nun in einem nicht platonischen Sinne als Teile des individuellen Bewußtseins einzelner<br />

Menschen verstanden eine gegen die Scholastik gewendete semantische Transformation, die<br />

sich bis heute in dem erhält, was von angelsächsischen Philosophen des Geistes als folk<br />

psychology bezeichnet wird. (Vgl. den klassischen Aufsatz von Churchland 1981a [dazu auch<br />

Churchland 1970, 1979, 1984] <strong>und</strong> die Debatte um den Theoriestatus der Alltagspsychologie<br />

in Churchland 1988a <strong>und</strong> Dennett 1987. Vgl. dazu auch Lycan 1990: Teil VI.) Représenter<br />

bezeichnet bei Descartes denjenigen Aspekt einer Idee, der mit ihrem Gehalt zu tun hat. Für<br />

ihn werden Ideen durch ihren repräsentationalen Gehalt individuiert <strong>und</strong> es kann keine Ideen<br />

geben, die nicht repräsentieren. Descartes unterscheidet auch bereits deutlich zwischen einem<br />

Akt oder Prozeßaspekt des Mentalen <strong>und</strong> seinem Gegenstands oder Gehaltaspekt. Wenn<br />

Descartes den repräsentationalen Aspekt von Ideen im Auge hat, bezeichnet er sie häufig als<br />

„Bilder“ (er spricht sogar bereits von „Bildern im Gehirn“). Scheerer (1990b: 8) zitiert auch<br />

eine Stelle aus den Gesprächen mit Burman, in der Descartes Imagination als einen Vorgang<br />

beschreibt, bei dem die Seele äußere Gegenstände in ihrer Abwesenheit im Gehirn bildet <strong>und</strong><br />

repräsentiert. Représenter kann also bei Descartes Verursachung von oben heißen. Für seinen<br />

Kritiker Gassendi sind Ideen dann allerdings wieder ganz <strong>und</strong> gar materielle relationale<br />

Strukturen, die durch ihre eigene relationale Struktur Objekteigenschaften abbilden <strong>und</strong> eine<br />

streng mechanistisch zu denkende kausale Genese aufweisen eine deutliche Parallele zum<br />

Begriff des mentalen Modells, wie er 1943 aller behavioristischen Euphorie zum Trotz von<br />

Kenneth Craik wieder eingeführt wurde (vgl. Abschnitt 2.2). Gegen Descartes wies Gassendi<br />

darauf hin, daß Ideen selbst auch teilbar sein müßten, wenn sie teilbare (körperliche) Dinge<br />

repräsentieren sollen. Man kann sagen, daß neben dem Leib Seele Problem die Frage nach der<br />

Möglichkeit von epistemischen Beziehungen des Egos zu Welt durch psychophysische Analo<br />

gien die größte Schwierigkeit des cartesianischen Substanzdualismus war.<br />

Die begriffliche Trennung der reprasentatio von der similitudo war in der abendländischen<br />

Geistesgeschichte ein langwieriges Projekt. (Bezüglich des weiteren Verlaufs der Begriffsge<br />

schichte von der Leibniz Rezeption bis zu heutigen Überlegungen betreffs bildhafter Darstel<br />

lungsformen <strong>und</strong> der eigentlichen mentalen Repräsentation finden sich reichhaltige Angaben<br />

in Scholz 1991. Sie empfehle ich dem historisch interessierten Leser.) Im Lichte neuester<br />

empirischer Erkenntnisse über subsymbolische Informationsverarbeitung in neuronalen Net<br />

zen <strong>und</strong> analoge Darstellungsformen mit Hilfe abstrakter Isomorphismen (vgl. etwa Reh<br />

kämper 1990, Abschnitte 2.2 <strong>und</strong> 2.2.1) erscheint die Geschichte des Begriffs „Repräsenta<br />

tion“ bis zum klassischen Idealismus als eine, in der viele wichtige Denkfiguren heutiger<br />

materialistischer Debatten in der Philosophie des Geistes bereits auftauchen <strong>und</strong> in der auf<br />

verblüffende Weise Konzeptionen entwickelt worden sind, die wir heute vielleicht sogar als<br />

„neurobiologisch realistisch“ einschätzen würden. Erkenntnistheorie <strong>und</strong> Psychologie waren<br />

damals noch keine getrennten Projekte. In einer Zeit, in der sowohl Erkenntnis wie auch das<br />

Mentale wieder erfolgreich naturalisiert werden <strong>und</strong> sich auf diese Weise näher rücken, muten<br />

viele der metaphysischen Argumentationsfiguren des Mittelalters <strong>und</strong> der beginnenden Neu<br />

zeit auf seltsame Weise bekannt an.

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