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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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48<br />

2. Kapitel<br />

Informationsverarbeitung: Der überwiegende Teil der Repräsentation von<br />

Eigenschaften der Welt durch das Hervorbringen spezifischer innerer Zu<br />

stände geschieht in völliger Abwesenheit von phänomenalen Qualitäten<br />

<strong>und</strong> subjektivem Bewußtsein. Die komplizierten Vorgänge interner Infor<br />

mationsverarbeitung, die etwa notwendig sind, um unseren Herzschlag zu<br />

steuern oder die Aktivität des Immunsystems 2 zu regulieren, erzeugen eine<br />

Vielzahl von internen Systemzuständen, welche niemals zu Inhalten sub<br />

jektiven, phänomenalen Bewußtseins werden.<br />

Die erste Frage in Zusammenhang mit dem Phänomen der mentalen<br />

Repräsentation lautet also: Was macht interne Repräsentationen zu menta<br />

len Repräsentationen, zu Prozessen, die potentielle Inhalte subjektiven Be<br />

wußtseins sind? Daß biologische Nervensysteme interne Abbildungen der<br />

Welt <strong>und</strong> ihrer kausalen Matrix in Gestalt von Zuständen mit Stellvertre<br />

terfunktionen generieren können, ist eine Tatsache, die ich hier nicht weiter<br />

problematisieren werde. Das erstaunliche Faktum dagegen, daß solche in<br />

ternen Abbildungen von Teilen der Welt zumindest in unserem eigenen<br />

Fall zu den Erlebnissen von Personen werden können, lenkt unsere Auf<br />

merksamkeit auf einen der zentralen Aspekte der <strong>Subjekt</strong>ivitätsfrage, näm<br />

lich die Inkompatibilität der personalen <strong>und</strong> der subpersonalen Beschrei<br />

bungsebene. 3 Dieser Aspekt konfrontiert uns mit einer weiteren Variante<br />

2 Nicht alle biologische Informationsverarbeitung ist neuronale Informationsverarbeitung.<br />

Es gibt nicht lokalisierte Informationsträger wie zum Beispiel die Hormone, <strong>und</strong> es gibt auch<br />

nicht lokalisierte aber ebenfalls steuerungsbedürftige Organe, wie das Immunsystem. Dies<br />

ist, nebenbei bemerkt, eines der wichtigsten Merkmale, die die bis heute diskutierten neurona<br />

len Netze vorerst zu biologisch eher unrealistischen theoretischen Modellen machen. Außer<br />

dem ist die funktionale Architektur des Gehirns noch in weiten Teilen eine terra incognita,die<br />

aus seiner anatomischen Struktur hypothetisch erschlossen wird. Dazu kommt, daß das<br />

menschliche Gehirn zu mehr als 50 % aus Gliazellen besteht, deren funktionale Rolle derzeit<br />

noch weitgehend unverstanden ist <strong>und</strong> schließlich leitet es Information auf andere Weise<br />

weiter als heutige konnektionistische Systeme. „Neben diesen (. . .) Unterschieden im Aufbau<br />

der Netzwerke unterscheidet sich die Signalübertragung zwischen Recheneinheiten bzw. Neuro<br />

nen in vielen Punkten: während in konnektionistischen Systemen zum Beispiel von einer steti<br />

gen Weitergabe der Aktivierungswerte ausgegangen wird, übertragen Neuronen ihre Erregung<br />

in diskreten Impulsen, d. h., die Signale werden in Axonen frequenzmoduliert, die Signale in<br />

konnektionistischen Systemen dagegen amplitudenmoduliert übertragen. Ein weiterer Punkt<br />

betrifft die Integration der auf eine Recheneinheit bzw. Nervenzelle einwirkenden Signale: In<br />

konnektionistischen Systemen werden die eingehenden Signale meist einfach addiert (selten<br />

wird eine multiplikative Verknüpfung benutzt). Die Integration der auf eine Nervenzelle einwir<br />

kenden Signale ist dagegen weit komplizierter <strong>und</strong> es ist vollkommen unklar, mit welcher<br />

mathematischen Funktion sich diese beschreiben läßt.“ (Helm 1990: 138)<br />

3 Es ist ein Verdienst Daniel Dennetts, in seinen Analysen diesen Punkt so deutlich hervor<br />

gehoben zu haben. Vgl. zum Beispiel Dennett 1969: 93ff, Dennett 1978: 267ff, Dennett 1987:<br />

57ff. Daß wir von unterschiedlichen logischen <strong>Subjekt</strong>en (Personen <strong>und</strong> subpersonalen Entitä<br />

ten wie zum Beispiel Gehirnen) prädizieren müssen, ist eines der Hauptprobleme in der moder<br />

nenDiskussiondesLeibSeele Problems. Es wurde unter dem Stichwort „nomologische Inkom<br />

mensurabilität des Mentalen“ durch Autoren wie Donald Davidson <strong>und</strong> Jaegwon Kim in die<br />

Debatte eingeführt <strong>und</strong> hat zu den verschiedenen Versuchen geführt, einen nicht reduktiven<br />

Materialismus zu entwickeln. Vgl. Davidson 1981 (1970), Horgan 1983, Kim 1978, 1979,<br />

1982b, 1984b, 1985. Zu den persistierenden Schwierigkeiten des Projekts vgl. die Presidential<br />

Address vor der APA von Kim 1989 <strong>und</strong> Stephan 1991.

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