Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Auf dem Weg zu einer neuen Theorie des Geistes 45<br />
Phantasien oder empathische Imagination zurückgreifen zu müssen. 25 Ob<br />
es jemals möglich sein wird, vermittels einer objektiv theoretischen Termi<br />
nologie einem andersartigen Wesen subjektive Erlebnisqualitäten begreif<br />
lich zu machen, die von seinem Nervensystem niemals erzeugt werden<br />
können, scheint in der Tat recht fraglich. Nagel hat jedoch mit Sicherheit<br />
recht, wenn er darauf hinweist, daß das Potential an Präzision <strong>und</strong> Be<br />
schreibungsfähigkeit unserer objektiven Begrifflichkeit noch lange nicht<br />
ausgeschöpft ist. 26 Dabei könnte eine Analyse von strukturellen Eigenschaf<br />
ten 27 der phänomenalen Realität erfolgversprechender sein als die direkte<br />
Behandlung subjektiver Qualitäten. Dies ist ein Gedanke, der, wie in den<br />
folgenden Kapiteln deutlich werden wird, meine eigenen Überlegungen<br />
sehr stark bestimmt hat.<br />
In Zusammenhang mit dem self locating thought, der das objektive Selbst<br />
mit der partikularen Perspektive z. B. von TN verbindet, sagt Nagel (1986),<br />
daß dieser Gedanke bzw. die mit ihm verknüpfte mentale Operation etwas<br />
Wesentliches über uns enthüllt. Er enthüllt eine Kompetenz für Objektivität<br />
auch uns selbst gegenüber die, so Nagel, allem Anschein nach nicht auf<br />
einfachere <strong>und</strong> weniger kreative mentale Vorgänge zurückgeführt werden<br />
kann. 28 Wenn aber der von Nagel umkreiste dunkleAspekt unseres Innenle<br />
bens überhaupt korrekt als eine „mentale Operation“ höchster Stufe be<br />
schrieben werden kann, dann muß eine am Modell der Informationsverar<br />
beitung orientierte Theorie des Geistes in der Lage sein, die erlebnismäßige<br />
Atomizität dieses Aspekts plausibel aufzulösen in Relationen zwischen<br />
theoretischen Elementen einer niedrigeren Beschreibungsebene. Mit ande<br />
ren Worten: Wenn die menschliche Fähigkeit, auf sich selbst immer wieder<br />
25 Diesbezüglich hat Janet Levin argumentiert, daß eine sehr grosse Anzahl von ganz<br />
unterschiedlichen subjektiven Erfahrungen den Aufbau des begrifflichen „Rohmaterials“ für<br />
theoretisches Wissen (etwa bezüglich der subjektiven Erlebnisse von Fledermäusen) ermög<br />
licht, ein Wissen, das die Einordnung von beliebigen Erlebnissen entlang gewisser Dimensio<br />
nen wie Kompatibilität, Intensität oder funktionalem Profil ermöglicht. Levin sagt, daß die<br />
entscheidende Äquivokation des Nagelschen <strong>und</strong> Jacksonschen Begriffs von „innerem Wis<br />
sen“ in dem Besitz des Begriffs eines mentalen Zustands <strong>und</strong> der Fähigkeit, ihn auf eigene<br />
mentaleZuständeerfolgreichanzuwenden besteht. Deswegen ist sie, auch mit Blick auf aus<br />
der menschlichen Perspektive als phänomenale Exoten erscheinende Systeme, optimistisch<br />
bezüglich des von Nagel angesprochen Projekts der objektiven Phänomenologie: „My suspi<br />
cion, however, is that these more exotic cases seem more intractable because we know quite little<br />
about the relevant dimensions of alien experiences, and even less about how these experiences<br />
are to be ordered along those dimensions. Our current lack of knowledge may indeed be due to a<br />
gap in our objective theories, but there is no reason to think that it cannot be overthrown by<br />
acquiring more information of a perfectly objective sort.“ Vgl. Levin 1990 (1986): 486.<br />
26 Häufig haben Vetreter des eliminativen Materialismus darauf hingewiesen, daß die<br />
Fähigkeit zur genauen Beschreibung unseres Innenlebens nach einer „reduktionistischen Re<br />
volution“ gefolgt von der Elimination des cartesianisch geprägten Alltagsidioms mögli<br />
cherweise wesentlich gesteigert würde, weil wir mit der viel differenzierteren neurowissen<br />
schaftlichen Taxonomie einen wesentlich exakteren Begriffsapparat zur Beschreibung innerer<br />
Erlebnisse zur Verfügung hätten. Vgl. z. B. Churchland 1989: 53ff.<br />
27 Vgl. Nagel 1974, in Bieri 1981: 272.<br />
28 Vgl. Nagel 1986: 66 (1992: 117).