Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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23.10.2012 Aufrufe

40 1. Kapitel Theorie bestimmter Fälle von monologisierender Selbstreferenz, speziell eines bestimmten Typs von Identitätsaussagen: LS 6: Sind Sätze des Typs „Ich bin TM“ ausschließlich als Identi tätsaussagen zu interpretieren? LS 7: Gibt es nicht triviale Wahrheiten in Gestalt solcher Aussagen, die über die reine Selbstreferenz qua historische Person in einem sozialen Kontext hinausgehen? Was wären die Bedingungen der Wahrheit für solche Identifikationen? Die zuletzt genannten Fragen sind bereits deutlich erkennbar als Fragen mit einem starken epistemologischen Anteil, sie rücken das Problem, ob es ein Wissen bezüglich der uns hier interessierenden psychologischen Eigen schaft geben kann, in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit. b) Die erkenntnistheoretische Dimension Es fragt sich, ob unsere subjektiven Erlebnisse als solcheeinen Erkenntnis charakter tragen. E1: Ist „Subjektivität“ eine epistemische Relation? Können men tale Repräsentate ähnlich wie Sätze als Wahrheitswertträger fungieren? E2: Was ist der erkenntnistheoretische Status des psychologischen Subjekts? Impliziert die Inkorrigibilität von Selbstzuschreibungen psychologischer Eigenschaften ihre Infallibilität? E3: Gibt es irreduzible Tatsachen bezüglich der Subjektivität men taler Zustände, die nur in der ersten Person Singular ausgesprochen und nur aus der Perspektive der ersten Person erkannt werden kön nen? Aus dem scheinbar privilegierten Status des psychologischen Subjekts erge bensichweiterhinFragenbezüglicheinermöglichenepistemischen Ge schlossenheit des inneren Raumes. Einige von ihnen sind die folgenden: E4: Was bedeutet es, daß subjektive mentale Zustände „private“ Zustände sind?

Auf dem Weg zu einer neuen Theorie des Geistes 41 E5: Stellt der qualitative Gehalt mentaler Zustände eine Form von „Wissen über die Welt“ dar? Sind Qualia Informationsträger, gibt es so etwas wie „phänomenale Information“? E6: Ist in der „Meinigkeit“, d. h. der erlebnismäßigen Subjektzen triertheit mentaler Zustände eine Form von Wissen kodiert? Mit den erkenntnistheoretischen sind schließlich wissenschaftstheoretische Fragen verbunden, die die methodologischen Möglichkeiten und das de skriptive Spektrum einer empirischen Psychologie überhaupt betreffen. E7: Läßt sich aus der Subjektivität mentaler Zustände die These ableiten, daß das wissenschaftliche Weltbild prinzipiell unvollstän dig bleiben muß? E8: Können introspektive Berichte über innere Eigenschaften in Konkurrenz treten mit Aussagen einer wissenschaftlichen Psycholo gie? c) Die psychologische Dimension Hier geht es darum, sowohl Eigenschaften mentaler Zustände besser zu verstehen, als auch wo irgend möglich die Genesevon Intuitionen näher zu beleuchten. Philosophische Probleme kann man begriffsanalytisch ku rieren oder in differenziertere Versionen zu transformieren versuchen. Man sollte aber (besonders im Bereich der Philosophie des Geistes) auch versuchen, ihre introspektiven Wurzeln freizulegen. Wir alle sind nämlich ständig in Versuchung, in schwierigen Situationen bei der theoretischen Erkundung unserer durch den Problemkomplex „Subjektivität“ gebildeten Landschaft einfach „hinzuschauen“ und laufen deshalb Gefahr, phänome nologische Fehlschlüsse zu produzieren. 23 Deswegen kann es auch wichtig 23 Materialistische Philosophen versuchen häufig, die Prozessualität des Mentalen ins Blickfeld zu bringen, um einen gewissen Typ von Fehlschluß zu vermeiden. Dieser Fehlschluß besteht darin, von der introspektiven Gewißheit objekthafter Elemente im Bewußtseinstrom auf die Existenz nicht physischer Gegenstände oder von phänomenalen Eigenschaften auf reale zu schließen. Wenn wir ein grünes Nachbild beschreiben, sprechen wir nicht von einem metaphysischen grünen Objekt, sondern von einem „virtuellen“ inneren Repräsentationsvor gang, der anderen solcher Vorgänge in Anwesenheit eines bestimmten Typs von externem Wahrnehmungsobjekt ähnelt. Ullian Place hat zu Beginn der Entwicklung der Identitätstheo rie auf diesen Typ von phenomenological fallacy hingewiesen (vgl. Place 1956). Ein Beispiel für eine neuere Argumentation gegen die Existenz von phänomenalen Individuen findet sich bei Lycan 1987, Kapitel 8.

Auf dem Weg zu einer neuen Theorie des Geistes 41<br />

E5: Stellt der qualitative Gehalt mentaler Zustände eine Form von<br />

„Wissen über die Welt“ dar? Sind Qualia Informationsträger, gibt<br />

es so etwas wie „phänomenale Information“?<br />

E6: Ist in der „Meinigkeit“, d. h. der erlebnismäßigen <strong>Subjekt</strong>zen<br />

triertheit mentaler Zustände eine Form von Wissen kodiert?<br />

Mit den erkenntnistheoretischen sind schließlich wissenschaftstheoretische<br />

Fragen verb<strong>und</strong>en, die die methodologischen Möglichkeiten <strong>und</strong> das de<br />

skriptive Spektrum einer empirischen Psychologie überhaupt betreffen.<br />

E7: Läßt sich aus der <strong>Subjekt</strong>ivität mentaler Zustände die These<br />

ableiten, daß das wissenschaftliche Weltbild prinzipiell unvollstän<br />

dig bleiben muß?<br />

E8: Können introspektive Berichte über innere Eigenschaften in<br />

Konkurrenz treten mit Aussagen einer wissenschaftlichen Psycholo<br />

gie?<br />

c) Die psychologische Dimension<br />

Hier geht es darum, sowohl Eigenschaften mentaler Zustände besser zu<br />

verstehen, als auch wo irgend möglich die Genesevon Intuitionen näher<br />

zu beleuchten. Philosophische Probleme kann man begriffsanalytisch ku<br />

rieren oder in differenziertere Versionen zu transformieren versuchen.<br />

Man sollte aber (besonders im Bereich der Philosophie des Geistes) auch<br />

versuchen, ihre introspektiven Wurzeln freizulegen. Wir alle sind nämlich<br />

ständig in Versuchung, in schwierigen Situationen bei der theoretischen<br />

Erk<strong>und</strong>ung unserer durch den Problemkomplex „<strong>Subjekt</strong>ivität“ gebildeten<br />

Landschaft einfach „hinzuschauen“ <strong>und</strong> laufen deshalb Gefahr, phänome<br />

nologische Fehlschlüsse zu produzieren. 23 Deswegen kann es auch wichtig<br />

23 Materialistische Philosophen versuchen häufig, die Prozessualität des Mentalen ins<br />

Blickfeld zu bringen, um einen gewissen Typ von Fehlschluß zu vermeiden. Dieser Fehlschluß<br />

besteht darin, von der introspektiven Gewißheit objekthafter Elemente im Bewußtseinstrom<br />

auf die Existenz nicht physischer Gegenstände oder von phänomenalen Eigenschaften auf<br />

reale zu schließen. Wenn wir ein grünes Nachbild beschreiben, sprechen wir nicht von einem<br />

metaphysischen grünen Objekt, sondern von einem „virtuellen“ inneren Repräsentationsvor<br />

gang, der anderen solcher Vorgänge in Anwesenheit eines bestimmten Typs von externem<br />

Wahrnehmungsobjekt ähnelt. Ullian Place hat zu Beginn der Entwicklung der Identitätstheo<br />

rie auf diesen Typ von phenomenological fallacy hingewiesen (vgl. Place 1956). Ein Beispiel<br />

für eine neuere Argumentation gegen die Existenz von phänomenalen Individuen findet sich<br />

bei Lycan 1987, Kapitel 8.

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