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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Auf dem Weg zu einer neuen Theorie des Geistes 35<br />

fige Formulierung unseres philosophischen Projekts möglich, in Gestalt der<br />

folgenden Fragen: Wie kommt zum intentionalen Gehalt mentaler Zu<br />

stände der phänomenale Gehalt hinzu? Was sind empirisch plausible <strong>und</strong><br />

begrifflich überzeugende Möglichkeiten, den enormen Zuwachs an inne<br />

rem Reichtum in einem informationsverarbeitenden System zu analysie<br />

ren, den wir üblicherweise als das Auftreten von Erlebnissen bezeichnen?<br />

Wie werden aus aperspektivischen internen Repräsentationen solche mit<br />

subjektivem Charakter <strong>und</strong> qualitativem Gehalt? Könnenwirdieseneuen<br />

Eigenschaften analysieren durch Kategorien der subpersonalen Beschrei<br />

bungsebene, gegebenenfalls durch eine Differenzierung der Kategorie der<br />

„Repräsentation“?<br />

Phänomenale Qualitäten scheinen das uns eigentlich interessierende<br />

Merkmal vieler subjektiver Zustände zu sein. Wenn eine naturalistische<br />

Theorie des Geistes uns überzeugen soll, so müßte sie mindestens einsichtig<br />

machen können, wie zwei unterschiedliche corticale Erregungsmuster den<br />

qualitativen Unterschied zwischen einem Roterlebnis <strong>und</strong> einem Türkiser<br />

lebnis gewissermaßen „von unten“ determinieren können. Es scheint näm<br />

lich genau dieser Unterschied zu sein, den wir einer Farbenblinden oder<br />

einer Maschine niemals begreiflich machen könnten. Was das Türkis einer<br />

tropischen Lagune oder die Schmerzhaftigkeit von Zahnschmerzen angeht,<br />

sind die meisten von uns natürliche Essentialisten. Man kann uns nämlich<br />

alle als natürliche Psychologen verstehen, als Wesen also, die sich ihre<br />

eigenen mentalen Zustände immer schon <strong>und</strong> vor aller theoretischen Refle<br />

xion selbst zu erklären versuchen. Als natürliche Psychologen, als lebens<br />

weltliche Experten bezüglich unseres Innenlebens geraten wir aber sofort in<br />

einen unvermeidlichen Konflikt mit der professionellen Konkurrenz, den<br />

naturalistischen Psychologen.<br />

Dieser Konflikt entsteht, weil natürliche Psychologen ganz im Gegen<br />

satz zu naturalistischen Psychologen Introspektion als Erkenntnisinstru<br />

ment benutzen, um ihre eigenen subjektiven Zustände zu klassifizieren.<br />

Das bedeutet, daß natürliche Psychologen neue mentale Zustände auf einer<br />

höheren Stufe erzeugen, deren Gegenstände andere mentale Zustände<br />

zum Beispiel Qualia sind. Ein Materialist würde vielleicht sagen: Sie<br />

erzeugen Gehirnzustände, um die Eigenschaften von Gehirnzuständen<br />

festzustellen. Weil sich dadurch der repräsentationale Gesamtzustand 19 des<br />

Systems verändert, tragen sie bei diesem Unternehmen immer das (natürli<br />

che) Risiko, daß es die abzubildenden alten Zustände nun gar nicht mehr<br />

gibt. Trotzdem entdeckt das Instrument der Introspektion etwas, das man<br />

als „innere natürliche Arten“ bezeichnen könnte: Introspektion erzeugt<br />

eine phänomenale Ontologie, indem sie die auftretenden mentalen Zu<br />

stände anhand ihres qualitativen Gehalts individuiert 20 <strong>und</strong> klassifiziert. In<br />

19 Was „repräsentationale Gesamtzustände“ sind, erkläre ich in Abschnitt 2.3.1.<br />

20 Daß diese phänomenale „Ontologie des Gehirns“ nicht durch phänomenologische Fehl<br />

schlüsse in unsere theoretische Analyse dieser Zustände übernommen werden darf, betont<br />

immer wieder Lycan. Vgl. Lycan 1987, dazu auch Smart 1959.

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