Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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32<br />
1. Kapitel<br />
Inhalte unseres inneren Raumes zu verstehen versuchen wenn wir sozusa<br />
gen vom weißen Lichtstrahl des Projektors zu den Farben auf der Lein<br />
wand übergehen.<br />
Denn drittens sind die uns interessierenden fraglichen Zustände auch<br />
Erlebnisse von Personen. Das heißt zuallererst: In ihrer Beschreibung müs<br />
sen wir auf das jeweilige physische System als Ganzes rekurrieren. Gehirne<br />
oder ihre Subsysteme sind keine Erlebnissubjekte, innere Erfahrungen kön<br />
nen ihnen nicht zugeschrieben werden. Denn es ist niemals der visuelle<br />
Cortex, der ein Farberlebnis hat kein von subpersonalen Beschreibungs<br />
ebenen 16 erfaßter Gegenstand kann, so scheint es, als logisches <strong>Subjekt</strong> von<br />
Erlebniszuschreibungen fungieren. Das Roterlebnis hat immer die Person<br />
als Ganze. Außerdem besitzen <strong>und</strong> das ist wichtiger subjektive Zu<br />
stände eine spezifische Form von Gehalt, die ich ab jetzt als ihren phäno<br />
menalen oder qualitativen Gehalt bezeichnen werde. Es ist die Schmerz<br />
haftigkeit von Schmerzerlebnissen oder die Qualität von Türkis in einem<br />
visuellen Wahrnehmungserlebnis, die den Wesenskern, das eigentlich „Er<br />
lebnishafte“ vieler unserer inneren Zustände ausmachen. Genau jener<br />
Kern ist es, den uns eine überzeugende wissenschaftliche Theorie subjekti<br />
ven Bewußtseins erklären müßte <strong>und</strong> esgibt starke Argumente dafür, daß<br />
sie dies aus vielleicht prinzipiellen Gründen niemals könnte. Im vorletzten<br />
Kapitel werden diese anti naturalistischen Argumente zum Gegenstand der<br />
Überlegungen werden. Qualia mentale Zustände mit qualitativem Erleb<br />
nischarakter bilden die dritte große Facette des philosophisch wissen<br />
schaftlichen Problemkomplexes „<strong>Subjekt</strong>ivität“. Was ist das „Erlebnishaf<br />
te“ an unseren inneren Erfahrungen, was müßte man eliminieren, um sie zu<br />
blossen Informationsverarbeitungsereignissen zu machen, die auch in ei<br />
nem Computer ablaufen können? 17 Warum genau würden wir von einer<br />
16 Die Inkompatibilität von personalen <strong>und</strong> subpersonalen Beschreibungen informations<br />
verarbeitender Systeme ist eine der wichtigsten neueren Varianten des Leib Seele Problems.<br />
Daniel Dennett hat diesen Aspekt der Fragestellung seit 1969 in vielfältiger Weise immer<br />
wieder analysiert; vgl. Dennett 1969, 1981, 1987. Diese begriffliche Inkompatibilität liegt der<br />
nomologischen Inkommensurabilität des Mentalen zugr<strong>und</strong>e: Wir können keine detaillierten<br />
Kausalketten über die Beschreibungsebenen hinweg verfolgen <strong>und</strong> keine strikten psychophysi<br />
schen Gesetze formulieren. Vgl. Davidson 1970, Lanz 1989, <strong>Metzinger</strong> 1985. Die prominente<br />
sten Versuche zur Lösung des Problems bestehen in dem Versuch, einen nicht reduktiven<br />
Materialismus zu entwickeln, der keine strikten psychophysischen Gesetze mehr annimmt<br />
<strong>und</strong> trotzdem die wesentlichen monistischen Intuitionen rettet. Kanonische Texte hierzu sind<br />
Haugeland 1982 <strong>und</strong> etwa Kim 1978, 1979, 1982, vgl. aber auch Kim 1990.<br />
17 Maloney argumentiert dafür, daß die intentionale Zustände begleitenden Qualia durch<br />
die Syntax (also letztlich physikalische Eigenschaften) der von dem betreffenden Repräsenta<br />
tionssystem eingesetzten tokens von „Mentalesisch“ also seines diskreten internen Codes<br />
konstituiert werden. „To use a mentalese token embodied as a token of a specified physical type<br />
is to experience the phenomenological qualia associated with the occurrence of the thought<br />
employing that mentalese token. So, given this hypothesis, the syntax, not the semantics, of<br />
mentalese terms constitutes the qualia of the thoughts deploying those terms.“(Maloney 1985:<br />
31) Dieser Gedanke weist auf der Gr<strong>und</strong>lage einer gr<strong>und</strong>verschiedenen Theorie mentaler<br />
Repräsentation Ähnlichkeiten zu der von mir vorgeschlagenen Hypothese bezüglich des<br />
Formats mentaler Präsentate auf. Vgl. Abschnitt 2.1.3.