Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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5. Kapitel<br />
ein assoziativer Vorgang, bei dem Ähnlichkeitsbeziehungen eine wichtigere<br />
Rolle spielen als Folgerelationen. Jedoch besitzen unsere äußeren Hand<br />
lungsmuster (relativ zu gewissen Zielen) häufig eine eigentümliche Konsi<br />
stenz, die es manchmal möglich macht, uns als rationale <strong>Subjekt</strong>e zu be<br />
schreiben. Und wir erleben uns als rationale <strong>Subjekt</strong>e, wenn wir uns<br />
selbstmental als Wesen modellieren, die Logik <strong>und</strong> Erfahrung systematisch<br />
als Erkenntnisquellen einsetzen. 49<br />
Man sieht: Wir sind nicht nur blinde Roboter des Genpools, die gefan<br />
gen in einem illusionären, naiv realistischen Selbstmißverständnis eine<br />
kurze Zeit an dessen Optimierung arbeiten <strong>und</strong> dann wieder von dem<br />
kalten, leeren Universum verschluckt werden, das sie vorübergehend er<br />
zeugt hat. Wir sind auch Systeme, die einen Grad an repräsentationaler<br />
Komplexität erreicht haben, der es ihnen erlaubt, episodisch zur Instantiie<br />
rungsbasis eines neuen Sets psychologischer Eigenschaften zu werden: Wir<br />
erzeugen qualitatives Selbstbewußtsein. Dadurch, daß wir perspektivisch<br />
organisierte Repräsentationsräume in uns öffnen, bringen wir psychologi<br />
sche <strong>Subjekt</strong>ivität in die Welt. Aus der hier skizzierten Theorie des Geistes<br />
geht nicht hervor, daß es nicht auch einmal künstliche Systeme geben<br />
könnte, die dieselbe Art von „repräsentational f<strong>und</strong>ierter Würde“ besitzen,<br />
aber vom Makel der Endlichkeit, zumindest jedoch vom Makel der Kurzle<br />
bigkeit frei wären. All diese Einsichten <strong>und</strong> Spekulationen werden jedoch<br />
die W<strong>und</strong>e nicht heilen können, die uns durch das Bewußtsein unserer<br />
radikalen Sterblichkeit geschlagen wird.<br />
IchhabeindiesemBuchzuzeigenversucht,wiedaspsychologische<br />
<strong>Subjekt</strong> in seinem vollen Gehalt in der Welt sein kann. Denn das eigentliche<br />
W<strong>und</strong>er ist nicht die Transzendentalität des <strong>Subjekt</strong>s, sondern seine Imma<br />
nenz: Die physikalische Welt ist wesentlich reichhaltiger, als wir zumeist<br />
gedacht haben, weil sie ein psychisches Potential besitzt. Auf ihrer Gr<strong>und</strong><br />
lage können biologische Formen der Informationsverarbeitung entstehen,<br />
die schließlich zur Aktivierung von <strong>Selbstmodell</strong>en <strong>und</strong> der Öffnung von<br />
zentrierten Simulationsräumen führen. Wenn man so will, hat sich im<br />
Menschen die Richtung der Evolution umgekehrt: Sie geht nach innen.Das<br />
soll heißen: Wenn Selbstähnlichkeit also eine immer bessere Form der<br />
internen <strong>Selbstmodell</strong>ierung das Entwicklungsziel ist, dann geht es um<br />
eine repräsentational optimierte Innerlichkeit. Zur biologischen Evolution<br />
tritt dann eine psychische Weiterentwicklung hinzu. Diese psychische Evo<br />
lution besteht in der Perfektion der abstrakten Organe, die ich als mentale<br />
49 Rationalisierende Verhaltenserklärungen müssen, im Gegensatz zu kausalen Verhaltens<br />
erklärungen, nicht prinzipiell in immer genauere Spezifikationen der einzelnen Erklärungs<br />
glieder überführt werden können. Wenn es stimmt, daß rationalisierende Verhaltenserklärun<br />
gen auf Abstrakta Bezug nehmen, dann ist die mentale <strong>Selbstmodell</strong>ierung die unserer<br />
eigenen Vernünftigkeit als einem auch introspektiv erlebten Phänomen zugr<strong>und</strong>eliegt in<br />
diesem Punkt nicht kompatibel mit der philosophischen Theorie: Sie wirft die causal proper<br />
ties<strong>und</strong> die content properties unserer Handlungsgründe ineins. Vgl. Bieri 1990 <strong>und</strong> Abschnitt<br />
1.1, Fußnote 12.