Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Auf dem Weg zu einer neuen Theorie des Geistes 29<br />
Performanzebene unsere Intuitionen ins Wackeln zu bringen, dürfen wir<br />
eines nicht vergessen: Das System wird niemals wirklich verstehen, was der<br />
Unterschied zwischen Wachen <strong>und</strong> Schlafen ist . . .“<br />
Unangenehm würde die Situation erst, wenn einer unserer künstlichen<br />
kognitiven Agenten (in der ihm eigenen sachlichen Art <strong>und</strong> Weise) erwi<br />
dert:„Aberihrwißtesjaselbst gar nicht!“ Wenn ein künstliches System uns<br />
in eine Diskurssituation zwingt <strong>und</strong> rational für seine eigene Theorie des<br />
Geistes zu argumentieren beginnt, dann wären wir gezwungen, ihm zu<br />
zeigen, daß der Term „Bewußtsein“ einen sinnvollen Platz in einer wissen<br />
schaftlichen Taxonomie psychischer Zustände einnimmt, die der seinigen<br />
überlegen ist. Sollte uns dies nicht gelingen 11 , müßten wir uns auf außerwis<br />
senschaftliche Erkenntnisquellen berufen <strong>und</strong> sagen: „Was Bewußtsein ist,<br />
ist evident. Alle bewußten Wesen zu denen Du nicht gehörst wissen,daß<br />
sie bewußt sind <strong>und</strong> verstehen sofort, was mit diesem Ausdruck gemeint<br />
ist.“ Bestimmt würden an diesem Punkt eine Reihe materialistischer Philo<br />
sophen die Solidarität aller biologischen Wesen durchbrechen <strong>und</strong> mit dem<br />
Stolz der Ketzer verkünden, daß auch sie noch nie verstehen konnten, was<br />
es eigentlich heißt, daß sie „Bewußtsein“ besitzen sollen. Wollte man eine<br />
solche unheilige anti cartesianische Allianz erfolgreich zurückschlagen, so<br />
müßte man überzeugend darlegen können, daß das, was wir alle immer<br />
schon ganz selbstverständlich als unser Bewußtsein bezeichnen, ein reales<br />
Phänomen ist, dem eine präzise Position innerhalb einer naturalistischen<br />
Theorie des Geistes zugewiesen werden kann.<br />
Dies mag sich als ein schwieriges Projekt herausstellen. Wenn wirklich<br />
ist, was wirkt, dann könnte sich herausstellen, daß Bewußtsein bestenfalls<br />
ein Epiphänomen 12 ohne kausale Wirksamkeit ist. Denn kausale Erklärun<br />
11 Wenn es uns (bereits vorher)gelingt, dann werden wir diese wissenschaftliche Einsicht in<br />
das Wesen der Bewußtheit prinzipiell auch technologisch umsetzen können. Karl Popper<br />
verleiht dem mit dieser Einsicht verb<strong>und</strong>enen konservativen Unbehagen Ausdruck, indem er<br />
schreibt: „Turing (1950) sagte es einmal ungefähr so: Gib genau an, worin deiner Meinung nach<br />
ein Mensch einem Computer überlegen sein soll, <strong>und</strong> ich werde dir einen Computer bauen, der<br />
deinen Glauben widerlegt. Wir sollten Turings Herausforderung nicht annehmen, denn jede<br />
hinreichend genaue Bestimmung könnte prinzipiell zur Programmierung eines Computers<br />
verwendet werden.“ (Popper ⁄ Eccles 1982: 257)<br />
12 Eine gute Analyse der Problematik bietet Peter Bieri in „Trying out Epiphenomenalism“<br />
an; vgl. Bieri 1990. Eines der zentralen Probleme ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob der<br />
intentionale Gehalt mentaler Zustände (bzw. ihre fragliche Bewußtheit) eine kausale Rolle bei<br />
der Genese von Verhalten spielen muß, um dieses in manchen Fällen als rationales Verhalten<br />
bezeichnen zu können. Mir scheint, daß wir, um noch wirklich an unsere eigene Vernünftigkeit<br />
als auch introspektiv erlebtes Phänomen glauben zu können, dezidierte Realisten bezüglich der<br />
Rationalität mancher unserer inneren Operationen sein müßten. Bieri glaubt dies nicht, weil für<br />
ihn Rationalitätszuschreibungen auf abstrakte Entitäten Bezug nehmen (vgl. hierzu Dennett<br />
1987) <strong>und</strong> mit einem empirisch methodologisch f<strong>und</strong>ierten Epiphänomenalismus verträglich<br />
sind. „On the contrary, rationalizing explanations proceed and can succeed independently of any<br />
questions regarding internal mechanisms. It is not the causal properties of reasons which are<br />
invoked but the content properties pertinent to the possibility of justifying behavior. Thus, it<br />
doesn’t matter that rationalizing explanations are not extendible like causal explanations. They<br />
are not supposed to be (. . .). So epiphenomenalism does not endanger psychological <strong>und</strong>erstan<br />
ding as a rationalistic hermeneutics.“ (Bieri 1990: 34)