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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 289<br />

Aktivierung eines stabilen <strong>Selbstmodell</strong>s dürfte aus neurowissenschaftli<br />

cher Perspektive ein äußerst komplexes Ereignis sein, das enorme Rechen<br />

kapazitäten erfordert. Auch wenn uns die Perspektivität unseres Erlebnis<br />

raums subjektiv als etwas Einfaches <strong>und</strong> Gegebenes erscheint, könnte eine<br />

Vektoranalyse der zugr<strong>und</strong>eliegenden neuronalen Aktivierungszustände<br />

die entsprechenden Bewegungen des Systems als Bewegungen in sehr hoch<br />

dimensionalen Räumen erweisen.<br />

Wir sind gleichzeitig soziale <strong>Subjekt</strong>e. Das heißt: Wir sind nicht nur<br />

isoliert operierende natürliche Repräsentationssysteme, sondern immer<br />

schon eingeb<strong>und</strong>en in umfassendere Systeme der Repräsentation <strong>und</strong> Kom<br />

munikation. Menschliche Wesen, die über ihr Innenleben kommunizieren,<br />

erzeugen eine Art Interface zwischen zwei sehr verschiedenen Arten von<br />

informationsverarbeitenden Systemen, nämlich zwischen Gesellschaften<br />

<strong>und</strong> Gehirnen. Die von diesen Systemen verwendeten Codes bedienen sich<br />

verschiedener Darstellungsformen: sprachlicher Ausdrücke <strong>und</strong> mentaler<br />

Modelle. Durch Differenzen in den verwendeten Formaten ergeben sich<br />

Vermittlungsprobleme zwischen den sozial <strong>und</strong> mental generierten Model<br />

len der Wirklichkeit <strong>und</strong> des <strong>Subjekt</strong>s selbst. Trotzdem macht die Einbet<br />

tung menschlicher Individuen in umfassendere Repräsentationssysteme<br />

mit einer eigenen geschichtlichen Dynamik 47 eine weitere wichtige Dimen<br />

sion ihres psychischen Reichtums aus.<br />

Der Gehalt unserer <strong>Selbstmodell</strong>e <strong>und</strong> damit unseres phänomenalen<br />

Selbstbewußtseins wird durch diese kulturelle Einbettung stark mitbe<br />

stimmt, weil wir uns mental immer auch als moralische <strong>Subjekt</strong>e, alsgesell<br />

schaftliche <strong>Subjekt</strong>e, als Mitglieder von rationalen Sprechergemeinschaften<br />

etc. modellieren. Die phänomenale Struktur unseres subjektiven Bewußt<br />

seins dagegen wird durch interne Informationsverarbeitung determiniert<br />

<strong>und</strong> muß durch naturalistische Kategorien wie Repräsentation, Simulation,<br />

Präsentation, Metarepräsentation, <strong>Selbstmodell</strong>ierung erläutert werden. Es<br />

sind die strukturellen Merkmale der phänomenalen Realität (zum Beispiel<br />

„Zentriertheit“), die wir analysieren müssen, wenn wir uns für das von<br />

Nagel formulierte Projekt einer objektiven Phänomenologie 48 interessie<br />

ren.<br />

Wir sind Systeme, die externe Rationalitätszuschreibungen unserer Ver<br />

haltensweisen rechtfertigen. Zumindest manchmal rechtfertigen wir solche<br />

Zuschreibungen auch dadurch, daß wir uns über alle biologischen Impera<br />

tive hinwegsetzen. Das bedeutet nicht, daß alle inneren Abläufe kognitiver<br />

mentaler Modellierung rational rekonstruiert werden können, etwa nach<br />

dem Muster des logischen Schließens (daß man also Realist bezüglich der<br />

Rationalität des Mentalen sein muß). Die Aktivierung mentaler Modelle ist<br />

47 Man kann auch biologische Gattungen oder Gesellschaften als informationsverarbeiten<br />

de Entitäten begreifen, die eine bestimmte raumzeitliche Lokalisierung besitzen <strong>und</strong> Informa<br />

tion parallel distribuiert verarbeiten. Dies könnten sie zum Beispiel erreichen, indem sie die<br />

„Konnektivität“ zwischen einzelnen ihrer Mitglieder verändern <strong>und</strong> so über eine Sequenz von<br />

„Lernschritten“ hinweg eine „Konfiguration“ oder „adaptive Landschaft“ in sich erzeugen.<br />

48 Vgl. Nagel 1981(1974): 271f.

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