23.10.2012 Aufrufe

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 285<br />

sind wir somit Teil einer evolutionären Strategie: Gewisse Organismen<br />

können mit unserer Hilfe ihren internen Simulationsraum zentrieren, we<br />

sentlich differenzieren <strong>und</strong> so ein beträchtlich höheres Maß an Information<br />

verarbeiten. Dies stellte für sie einen Vorteil im Kampf ums Überleben dar.<br />

Das psychologische <strong>Subjekt</strong> ist somit ein abstraktes Organ, das von einem<br />

biologischen Organismus episodisch aktiviert wird, um gewisse Ziele zu<br />

verfolgen. Als über ihren repräsentationalen Gehalt individuierte Daten<br />

struktur stellt es einen Teil der Eigenschaften des sie erzeugenden Systems<br />

für dieses intern noch einmal dar. Als Menge von funktionalen Zuständen<br />

als Ensemble von Mikrozuständen also, die über die kausale Rolle betrach<br />

tet werden, die ihre jeweilige physikalische Instantiierungsbasis innerhalb<br />

des Systems spielt ist es ein abstraktes Organ, durch welches das System<br />

sein inneres <strong>und</strong> äußeres Verhaltensrepertoire beträchtlich erweitert.<br />

Mit der Erzeugung solcher komplexer funktional repräsentationaler Zu<br />

stände wird ein System zur Instanz eines neuen Sets von Eigenschaften:<br />

psychologischer Eigenschaften nämlich, die ihm traditionell auf der perso<br />

nalen Ebene zugeschrieben werden. Die psychologischen Eigenschaften<br />

menschlicher Wesen sind die Eigenschaften von Personen, psychologische<br />

Zustände sind Personenzustände. Die <strong>Subjekt</strong>ivität dieser Zustände besteht<br />

darin, daß sie in ein <strong>Selbstmodell</strong> eingebettet sind. Sie werden dadurch auf<br />

der Ebene inneren Erlebens für das System zu seinen Zuständen. Phänome<br />

nale Meinigkeit hat damit ihre Gr<strong>und</strong>lage in einer Einbettungsrelation, die<br />

zwischen zwei Typen von mentalen Modellen besteht: Wir sind geistige<br />

Wesen, deren subjektive Identität aus strukturellen Merkmalen der Infor<br />

mationsverarbeitung innerhalb ihrer physischen Basis entsteht. Also sind<br />

wir auch in bezug auf unsere Innerlichkeit kontingent, die Produkte der<br />

Interessen des uns aktivierenden Systems <strong>und</strong> wie dieses endlich.<br />

Ist dies nur eine weitere Demütigung des Menschen durch die Wissen<br />

schaft 44 , die nun in der Naturalisierung des <strong>Subjekt</strong>s gipfelt? Die neue<br />

Anthropologie zeigt uns als radikal sterbliche Wesen: Es gibt keinen Gr<strong>und</strong><br />

zu der Annahme, mentale Modelle könnten ohne ihre neurobiologischen<br />

Rahmenbedingungen aktiviert werden. Unsere Tragik besteht zudem dar<br />

in, daß wir Wesen sind, die ihre Endlichkeit mental sehr deutlich repräsen<br />

tieren können. Dadurch müssen wir in einem permanenten Konflikt mit<br />

biologischen Imperativen leben, die in den stammesgeschichtlich älteren<br />

Teilen unserer neuronalen Hardware fest verdrahtet sind. Die Sicherung<br />

unseres individuellen Überlebens ist für uns ein struktureller Imperativ,<br />

den wir in Standardsituationen nicht außer Kraft setzen können. Die neue<br />

ren Bereiche unseres Gehirns erzeugen aber zur gleichen Zeit ein Modell<br />

des Selbst, welches uns deutlich zeigt, daß alle Versuche, sich diesem Impe<br />

rativ zu fügen, letztlich zum Scheitern verdammt sind.<br />

44 Vgl. dazu die von Gerhard Vollmer entwickelte Taxonomie von Kränkungen des Men<br />

schen in Vollmer 1992. Besonders interessant in unserem Zusammenhang sind die Demüti<br />

gungen Nr. 7 <strong>und</strong> Nr. 9 durch das Computermodell des menschlichen Geistes <strong>und</strong> die Neuro<br />

biologie des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!