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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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284<br />

5. Kapitel<br />

Vielleicht ist die hier skizzierte Theorie des Mentalen deswegen intuitiv so<br />

wenig einleuchtend <strong>und</strong> emotional so wenig ansprechend, weil das uns von<br />

der Evolution mitgegebene <strong>und</strong> unser vorphilosophisches Denken bestim<br />

mende Wirklichkeitsmodell Eigenschaftsmengen unter Ausfilterung von<br />

Ambiguitäten notorisch zu Dingen verobjektiviert. Dadurch werden un<br />

scharfe Datenmengen erlebnismäßig unhintergehbar verfestigt <strong>und</strong> erhalten<br />

den illusionären Charakter von Permanenz <strong>und</strong> Substantialität. Zudem ist<br />

dieses mentale Realitätsmodell durch einen inhärenten naiven Realismus<br />

gekennzeichnet, der uns auf der Ebene phänomenalen Selbstbewußtseins<br />

dies ist vielleicht die philosophisch interessanteste Einsicht der vorangegan<br />

genen Überlegungen in ein erlebnismäßig schwer zu transzendierendes<br />

naiv realistisches Selbstmißverständnis verstrickt. Aus diesem Gr<strong>und</strong> fällt es<br />

uns schwer zu begreifen, daß auch unser Ich, das phänomenale Zentrum der<br />

Welt, keine Substanz ist, sondern schlicht ein mentales Modell wenn auch<br />

eines von allerhöchster Komplexität. Sollte es in der Zukunft einmal Men<br />

schen oder künstliche Systeme geben, die diese Tatsache in ihrem phänome<br />

nalen Modell der Wirklichkeit darstellen können, dann würden solche We<br />

sen in einem völlig anderen Bewußtseinzustand leben als wir.<br />

5.3 Mentale <strong>Selbstmodell</strong>ierung<br />

<strong>und</strong> die Würde informationsverarbeitender Systeme<br />

Ich habe im letzten Abschnitt eine Reihe von vorläufigen Antworten auf<br />

die im ersten Kapitel aufgeworfenen Fragen zu geben versucht. Diese Ant<br />

worten waren Antworten aus der Perspektive einer naturalistischen Theo<br />

rie des Geistes. Eine solche Theorie sieht <strong>Subjekt</strong>ivität als eine komplexe<br />

psychologische Eigenschaft, die von natürlich entstandenen Repräsenta<br />

tionssystemen instantiiert werden kann. Die vorläufigen Antworten einer<br />

solchen Theorie wurzeln in der Annahme, daß es repräsentationale Merk<br />

male eines informationsverarbeitenden Systems sind, die ihm die Erzeu<br />

gung eines phänomenalen Selbstbewußtseins ermöglichen, welches sowohl<br />

intentionalen als auch qualitativen Gehalt besitzt. Eine Theorie des psy<br />

chologischen Erlebnissubjekts wird deshalb in ihrem Kern eine repräsenta<br />

tionale Theorie sein: Sie wird uns erklären, in welchen Fällen eine Objekt<br />

bildung zu einer <strong>Subjekt</strong>bildung führt. Ich werde mich nun abschließend<br />

der Frage zuwenden, welche Gestalt das Bild vom Menschen besitzt, das<br />

aus der neuen, sich in ersten schwachen Umrissen abzeichnenden, Theorie<br />

des Geistes hervortritt. Lassen sich bei der gebotenen Vorsicht in Hinblick<br />

auf mögliche zukünftige Revisionen der empirisch f<strong>und</strong>ierten Theorie des<br />

Geistes, die nun langsam Form anzunehmen beginnt, anthropologische<br />

Schlüsse auf die Natur des Menschen als eines geistigen Wesens ziehen?<br />

Wir sind mentale <strong>Selbstmodell</strong>e informationsverarbeitender Biosysteme<br />

<strong>und</strong> zentrieren eine kritische Teilmenge ihrer internen Repräsentate der<br />

Welt. Werden wir nicht errechnet, so gibt es uns nicht. Als geistige Wesen

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