Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 283<br />
zugleich die Gr<strong>und</strong>lage seiner bisher unübertroffenen Funktionalität dar<br />
stellt.<br />
Einwand: Wenn ich glaube, daß das phänomenale Ich letztlich nichts ande<br />
res als eine komplexe Datenstruktur in einem biologischen Gehirn ist, dann<br />
kann ich deshalb noch lange nicht glauben, daß ich selbst eine solche Daten<br />
struktur bin. Woran liegt das?<br />
Antwort: Dadurch, daß Sie eine bestimmte philosophische Hypothese für<br />
wahr halten, ändert sich Ihr repräsentationaler Gesamtzustand zumin<br />
dest kurzfristig nur in vernachlässigbarem Ausmaß. Wenn es richtig ist,<br />
daß „propositionale Einstellungen“ (wie etwa „Ich glaube, daß die Selbst<br />
modell Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität eine gute Arbeitshypothese ist“) indas<br />
<strong>Selbstmodell</strong> eingebettete mentale Modelle von Sätzen in externen Codes<br />
sind, dann verändern sich durch eine solche Einbettung die Ihrer mentalen<br />
<strong>Selbstmodell</strong>ierung zugr<strong>und</strong>eliegenden neurobiologischen Funktionen zu<br />
nächst nicht. Dadurch, daß Sie auf der Ebene mentaler Modellierung eine<br />
bestimmte propositionale Einstellung einnehmen, indem Sie sich eine be<br />
stimmte theoretische Position zu eigen machen, verändert sich ihr phäno<br />
menales Modell der Realität nämlich nur geringfügig. Es mag sogar sein,<br />
daß die neurobiologischen Realisierungen der <strong>Selbstmodell</strong>ierungsfunk<br />
tion im Fall des Menschen nur schwach plastisch sind, weil sie in ihrer<br />
Struktur genetisch determiniert <strong>und</strong> auf diese Weise „fest verdrahtet“ sind.<br />
Vielleicht fördern empirische Untersuchungen zukünftig Genaueres über<br />
die Plastizität der funktionalen Architektur zutage, die die Instantiierungs<br />
basis für unser phänomenales Selbstbewußtsein darstellt.<br />
Um zu erleben, daß das phänomenale Selbst nur ein mentales Modell also:<br />
ein durch Eigenschaftsbindung entstandenes repräsentationales Objekt ist,<br />
müßte ein System sein naiv realistisches Selbstmißverständnis durchbrechen:<br />
Es müßte ein Modell des Selbst als eines internen Konstrukts aktivieren. Für<br />
ein System, das gezwungen ist, unter biologischen Imperativen zu operieren,<br />
stellt eine solche Veränderung seiner eigenen psychischen Struktur aber keinen<br />
Vorteil dar. Dafür gibt es vielleicht zwei Gründe. Erstens ist es repräsentatio<br />
nal aufwendiger, den Konstruktionsprozeß mentaler Modelle metarepräsenta<br />
tional innerhalb dieser noch einmal darzustellen, um sie so als Modelle zu<br />
kennzeichnen. Die Funktionalität der betreffenden Strukturen würde dadurch<br />
jedoch nicht automatisch erhöht. Man kann sagen: Repräsentationale Selbst<br />
transparenz stellt keinen direkten Vorteil im Kampf ums Überleben dar,<br />
würde aber einen wesentlich höheren Aufwand an Informationsverarbeitung<br />
für das System bedeuten. Vielleicht ist der naive Realismus die funktional<br />
adäquateste „epistemologische Gr<strong>und</strong>annahme“ für durch eine evolutionäre<br />
Wettbewerbssituation stark geb<strong>und</strong>ene natürliche Repräsentationssysteme.<br />
Das heißt natürlich nicht, daß er es auch für Menschen oder künstliche Sy<br />
steme sein muß. Zweitens birgt der Versuch, das <strong>Selbstmodell</strong> auch auf phäno<br />
menaler Ebene als ein mentales Konstrukt darzustellen, die Gefahr in sich, das<br />
System in einen endlosen Progreß der <strong>Selbstmodell</strong>ierung zu führen <strong>und</strong> auf<br />
diese Weise zu lähmen. Biologische Systeme müssen solche Entwicklungen<br />
vermeiden oder sie sterben aus.