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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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282<br />

5. Kapitel<br />

lebnisraum befindet sich ein mentales Spiegelbild der Person, die ihn in<br />

sich erzeugt. Dieses Spiegelbild kann zum Beispiel ein mentales Modell von<br />

Thomas Nagel sein, allein in Ozeanen von Raum <strong>und</strong> Zeit, allein unter<br />

einer unendlichen Anzahl anderer Menschen. Da es nur ein mentales Spie<br />

gelbild, aber kein <strong>Selbstmodell</strong>, innerhalb des imaginierten Bilds der Wirk<br />

lichkeit gibt, ist es scheinbar auch nicht auf einen spezifischen Benutzer<br />

festgelegt. Diese Illusion entsteht genau dann, wenn wir vergessen, daß wir<br />

es sind, die diese Vorstellung absichtlich initiiert haben (zum Beispiel,<br />

wenn wir aus dem philosophischen Gedankenexperiment in einen manife<br />

sten Tagtraum übergehen). Wenn die Illusion wieder verschwindet, ent<br />

decken wir uns selbst im inneren Spiegel des Blicks aus dem Nirgendwo, <strong>und</strong><br />

„Heureka!“ das Simulat bricht augenblicklich zusammen, weil unser<br />

Gehirn das mentale Modell der betreffenden Person mit unserem Selbst<br />

modell fusioniert.<br />

Auf diese Entdeckung meiner selbst in einem sehr umfassenden inneren<br />

Spiegelbild, dem multimodalen mentalen Simulat meiner selbst als einer<br />

fremden Person, kann ich nun monologisch Bezug nehmen, indem ich<br />

ausrufe: „Ich bin TM!“ Ich beziehe mich dabei nicht auf ein irreduzibles,<br />

perspektivisches Faktum, sondern auf das wiedergewonnene Erlebnis der<br />

Perspektivität. Genaugenommen ist diese Perspektivität niemals vollstän<br />

dig verloren gegangen. Ich erfahre sie jedoch in dem Moment noch einmal<br />

als besonders prägnant, in dem mein mentales Spiegelbild wieder in mein<br />

phänomenales Selbst eingebettet wird. Ähnlich wie das Umspringen der<br />

mentalen Modelle eines Neckerschen Würfels zwischen zwei Interpretatio<br />

nen, ist auch der Absturz aus dem Blick von nirgendwo in die nun wieder<br />

vollständige Perspektivengeb<strong>und</strong>enheit des psychologischen <strong>Subjekt</strong>s<br />

„TM“ eine reversible Operation. Ich kann sie beliebig oft durchführen<br />

immer begleitet von dem, was Nagel als den philosophical thought bezeich<br />

net hat. Er ist das mentale Modell des immer wieder möglichen monologi<br />

schen Sprechakts, der den Perspektivenwechsel begleiten kann.<br />

Einwand: Aber das ist ja schrecklich die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>i<br />

vität psychologisiert das transzendentale Ego <strong>und</strong> erklärt das phänomenale<br />

Ich zu einer grandiosen Illusion!<br />

Antwort: In der Tat ist das objektive Selbst die Verdinglichung einer psychi<br />

schen Fähigkeit, für die wir vielleicht bald gute wissenschaftliche Erklärun<br />

gen besitzen werden. Man kann aber nicht sagen, daß das phänomenale Ich<br />

„nur“ eine Illusion ist, weil diese Redeweise selbst wieder eine Perspektive<br />

<strong>und</strong> einen Getäuschten impliziert: Es gibt noch nicht einmal den Getäusch<br />

ten. Es gibt in dieser Hinsicht weder Wissen noch Illusion, sondern nur ein<br />

System, das verschiedene mentale Modelle der Realität <strong>und</strong> des Selbst<br />

aktiviert, weil es bestimmte Ziele verfolgt. Außerdem ist das menschliche<br />

<strong>Selbstmodell</strong> in nicht pathologischen Wachzuständen keinesfalls episte<br />

misch leer: Es inkorporiert biologisches <strong>und</strong> metapsychologisches Wissen 43<br />

des Systems <strong>und</strong> seiner Gattungsgeschichte, dessen enorme Komplexität<br />

43 Vgl. Van Gulick 1988a, 1988b.

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