Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 281<br />
einer Instantiierung phänomenaler „Meinigkeit“ benutzt. Ein solcher Fall<br />
tritt immer dann ein, wenn ein menschliches <strong>Subjekt</strong> den View from Now<br />
here in sich aufgebaut hat <strong>und</strong> ihn nun wieder fallen läßt.<br />
P14: Lassen sich das Nagelsche objective self <strong>und</strong> die mit seinem<br />
Auftreten verb<strong>und</strong>enen Perspektivenwechsel als Resultat mentaler<br />
Repräsentation verstehen?<br />
Der View from Nowhere ist eine mentale Operation höchster Stufe. Er setzt<br />
bestimmte repräsentationale Funktionen voraus, die vielleicht spezifisch<br />
menschlich sind <strong>und</strong> uns wahrscheinlich von allen anderen Tieren auf<br />
diesem Planeten unterscheiden. Damit man in bezug auf das Problem<br />
psychologischer <strong>Subjekt</strong>ivität nicht zu naiv realistischen, essentialistischen<br />
<strong>und</strong> cartesianischen Fehlschlüssen gelangt, muß man zuallererst auf den<br />
zentralen Punkt hinweisen, der in der philosophischen Analyse des Phäno<br />
mens nie verloren gehen darf: Wir haben es hier mit einem Fall von menta<br />
ler Simulation zu tun.<br />
Mentale Simulationen sind Fälle, in denen ein System mentale Modelle<br />
in Abwesenheit der Standard Kausalketten aktiviert <strong>und</strong> zu komplexen<br />
mentalen Modellen der Realität zusammenfügt. Der Blick von nirgendwo<br />
ist ein phänomenaler Zustand, der dadurch entsteht, daß die mentale Simu<br />
lation einer nicht subjektzentrierten Welt versucht wird, also die mentale<br />
Modellierung der Realität ohne die Einbindung eines <strong>Selbstmodell</strong>s. Er ist<br />
somit auch der Versuch eines Systems, sich vorübergehend von dem zu<br />
befreien, was ich als die Benutzerfixierung seines inneren Bildes der Welt<br />
bezeichnet habe. Dieser Versuch zur Selbsttranszendenz ist natürlich ein<br />
Menschheitsthema, ein klassischer Topos nicht nur der abendländischen<br />
Philosophie. Die Mystiker aller Kulturen haben versucht, aus der partiku<br />
laren Perspektive ihres endlichen Egos auszubrechen, indem sie Zustände<br />
phänomenalen Bewußtseins kultivierten, die nicht zentriert, holistisch <strong>und</strong><br />
frei von der Fragmentierung durch das psychologische <strong>Subjekt</strong> waren. Sie<br />
wollteninsicheinenRaumschaffen,indemsichderGroße Blick von<br />
nirgendwo ereignen kann. Thomas Nagel spricht aber nicht von solchen<br />
Zuständen, sondern gewissermaßen von ihrer nicht elitären Variante: Der<br />
Blick von nirgendwo ist eine mentale Operation, die wir alle beherrschen.<br />
Wir alle können vorübergehend zumindest in der Vorstellung eine objek<br />
tive Perspektive auf uns selbst einnehmen.<br />
Diese Vorstellung bleibt aber immer noch unsere Vorstellung. Wenn das<br />
nicht so wäre, könnten wir uns nicht an sie erinnern <strong>und</strong> auch keine philo<br />
sophischen Diskussionen über ihre korrekte Interpretation im Rahmen<br />
einer Theorie des Geistes oder innerhalb einer Erkenntnistheorie führen.<br />
Vor dem Hintergr<strong>und</strong> einer naturalistischen Theorie mentaler Repräsenta<br />
tion ist der View from Nowhere mithin eine intendierte Imagination, die<br />
mentale Simulation eines nicht zentrierten Erlebnisraums innerhalb eines<br />
zentrierten Erlebnisraums. In diesem mental simulierten „objektiven“ Er