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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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280<br />

5. Kapitel<br />

repräsentat analysieren. Wenn bereits ein <strong>Selbstmodell</strong> besteht, wie im Fall<br />

des wachen <strong>und</strong> agierenden Schimpansen, kann dieses <strong>Selbstmodell</strong> durch<br />

die Einbettung weiterer mentaler Modelle erweitert werden. Durch jede<br />

erfolgreiche Einbettung dieses Typs reichert sich der Gehalt des Selbstmo<br />

dells an. Der Moment, in dem ein Schimpanse erkennt, daß der rote Farb<br />

tupfer, den die Versuchsleiterin seinem visuellen Gegenüber im Spiegel auf<br />

die Stirn malt, gleichzeitig mit den taktilen Empfindungen auf seiner Stirn<br />

entsteht <strong>und</strong> daß die Stirn seines visuellen Gegenübers seine Stirn ist, ist<br />

der Moment der Selbsterkenntnis: Es ist genau der Moment, indem sein<br />

Gehirn das visuelle Modell des gespiegelten Gegenübers in das bereits<br />

aktive <strong>Selbstmodell</strong> einbettet, weil es ganz bestimmte Übereinstimmungen<br />

(relationale Homomorphien) zwischen beiden mentalen Strukturen ent<br />

deckt hat. Nun ist der Affe sich auch subjektiv als Spiegelbild gegeben. Man<br />

könnte sagen, daß sein phänomenales Ich sich ausgedehnt hat. Das merkt<br />

man unter anderem manchmal daran, daß er sich nun voller Interesse sein<br />

Hinterteil im Spiegel zu betrachten beginnt, einen Aspekt seiner selbst, der<br />

ihm bisher verborgen geblieben war.<br />

Wenn der Schimpanse sprechen könnte, würde er vielleicht auf diesen<br />

plötzlichen Wechsel seines Bewußtseinszustandes hinweisen, indem er eine<br />

restringierte Variante des „TN Satzes“ äußert <strong>und</strong> sagt: „Ich bin dieses Spie<br />

gelbild!“ Er würde dann mit einer Identitätsaussage auf die innere Fusionie<br />

rung zweier mentaler Modelle aufmerksam machen. Er erreicht dies, indem<br />

er bezugnimmt auf neue psychologische Eigenschaften <strong>und</strong> neue phänome<br />

nale Zustände seiner selbst. Selbsterkenntnis geht in solchen Fällen mit der<br />

Expansion phänomenalen Selbstbewußtseins einher: Was vorher das externe<br />

Bild eines anderen Wesens war, ist nun mein Spiegelbild. Das mentale Mo<br />

dell des Spiegelbildes behält zwar zumindest in unserem eigenen Fall den<br />

Modus der Externalität bei, wird aber nun zur Instanz einer interessanten<br />

phänomenalen Eigenschaft, der uns jetzt bereits wohlbekannten „Meinig<br />

keit“. In solchen Fällen identifizieren wir uns mit einem repräsentational<br />

gegebenen Teil der Welt, weil die Einbettung des entsprechenden mentalen<br />

Modells in unser <strong>Selbstmodell</strong> einhergeht mit einer Veränderung des phäno<br />

menalen Selbst. Da <strong>Subjekt</strong>ivität im Kern eine repräsentationale Relation<br />

ist, bedeutet bestimmte innere Zustände 42 als seine eigenen zu erkennen in<br />

Wirklichkeit sie zu seinen eigenen zu machen also einen bestimmten Re<br />

präsentationsmodus zu wählen (Wenn man so will: durch naturalisierte Ver<br />

sionen der Husserlschen „Akte des Vermeinens“). Wir begegnen hier auf<br />

einer höheren Stufe wieder dem esse est experiri der phänomenalen Ebene<br />

Selbsterkenntnis ist Selbsterzeugung.<br />

Wirklich interessant sind aber solche Fälle, in denen ein informations<br />

verarbeitendes System ein komplexes, multimodales internes Spiegelbild<br />

seiner selbst durch einen solchen Akt repräsentationaler Vermeinung zu<br />

42 Das können auch innere Zustände sein, deren repräsentationaler Gehalt im Modus<br />

phänomenaler Externalität dargestellt werden (z. B. die mentalen Modelle von Spiegelbil<br />

dern).

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