Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 279<br />
toren eine erfolgversprechende Strategie darstellt, dann gibt es zumindest<br />
prinzipiell die Möglichkeit, die fraglichen abstrakten Eigenschaften der<br />
durch die betreffenden funktionalen Prozesse erzeugten Datenstrukturen<br />
(die ich als ihr „Format“ bezeichnet habe) auch aus systemexterner Per<br />
spektive dingfest zu machen. Das ist natürlich nicht gleichbedeutend mit<br />
einer Erzeugung der entsprechenden Qualia im Bewußtsein der jeweiligen<br />
Forscher: Wir können bestenfalls digitales Wissen über mentale Präsentate<br />
<strong>und</strong> die durch sie instantiierten phänomenalen Zustände erlangen, jedoch<br />
kein subjektives analoges Wissen. In diesem Sinne werden wir niemals<br />
wissen, wie es ist, eine Fledermaus zu sein.<br />
Der zentrale Aspekt psychologischer <strong>Subjekt</strong>ivität kommt aber, wie wir<br />
gesehen haben, durch <strong>Selbstmodell</strong>ierung ins Spiel. Wie können wir ange<br />
nommen, daß wir die internen Eigenschaften eines Systems nicht oder nur<br />
unvollständig kennen herausfinden, ob es ein mentales <strong>Selbstmodell</strong> besitzt?<br />
Wir müssen untersuchen, ob es auf der Ebene äußeren Verhaltens Leistungen<br />
zeigt, deren Vorbedingung ein funktional aktives <strong>Selbstmodell</strong> ist.<br />
Auf der höchsten Ebene, der Ebene linguistischerKapazitäten, kann man<br />
fragen: Verfügt das System über ein Selbst Symbol, mit dem es in sprachli<br />
chen Kommunikationssituationen auf sich selbst Bezug nehmen kann? So<br />
ziale Selbstbezugnahme ist eine biologisch sinnvolle Fähigkeit. Wenn Sy<br />
steme beginnen, in externen Codes auf sich selbst Bezug zu nehmen, dann<br />
ist dies ein starkes Indiz dafür, daß sie bereits über interne Formen der<br />
Selbstreferenz bzw. <strong>Selbstmodell</strong>ierung verfügen. Auf einer niedrigeren<br />
Stufe, der Stufe reflexiver Deixis, kann man untersuchen, ob ein gegebenes<br />
System etwa in einer Gruppe auf sich selbst zeigen kann. Wie könnte es<br />
dies tun, ohne zumindest ein rudimentäres, funktional aktives Selbstmo<br />
dell aktiviert zu haben? Und schließlich kann man das Vorhandensein der<br />
Fähigkeit zur <strong>Selbstmodell</strong>ierung nach den einzelnen jeweils vorhandenen<br />
Sinnesmodulen überprüfen: Kann ein System seinen eigenen Körper zuver<br />
lässig ertasten, hat es ein Gespür für seine Körpergrenzen? Erkennt es seine<br />
eigenen Geräusche wieder, zum Beispiel auf Tonbandaufnahmen? Kann es<br />
sich selbst olfaktorisch repräsentieren, indem es wie ein H<strong>und</strong>, der seine<br />
Duftmarken wiedererkennt von ihm verursachte Geruchseigenschaften<br />
der Welt als seine eigenen entdeckt?IstessichauchüberdenvisuellenSinn<br />
selbst gegeben? Betrachten wir kurz einen solchen Fall visuellen Selbsterle<br />
bens, der durch eine Erweiterung des <strong>Selbstmodell</strong>s zustandekommt.<br />
Was unterscheidet einen Rhesusaffen von einem Schimpansen? Die in<br />
unserem theoretischen Kontext interessante Antwort lautet: Ein Schim<br />
panse kann sich selbst im Spiegel wiedererkennen, ein Rhesusaffe kann es<br />
nicht. Das bedeutet: Ein Schimpanse ist in der Lage, ein visuelles mentales<br />
Modell seines Spiegelbildes in sein <strong>Selbstmodell</strong> einzubetten. 41 Innerhalb<br />
einer repräsentationalen Erkenntnistheorie kann man vorsprachliche<br />
Selbsterkenntnis nämlich als die Aktivierung eines <strong>Selbstmodell</strong>s oder als<br />
die Einbettung eines neuen Repräsentats in ein bereits bestehendes Selbst<br />
41 Vgl. <strong>Metzinger</strong> 1994.