Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
276<br />
5. Kapitel<br />
„Propositionale <strong>Subjekt</strong>ivität“: Von einem überzeugenden künstlichen<br />
<strong>Subjekt</strong> müßten wir außerdem mindestens verlangen, daß es eine post<br />
cartesianische res cogitans ist: Ein physikalisches System, das propositiona<br />
len Gehalt mental modellieren kann, <strong>und</strong> zwar indem es die mentalen<br />
Modelle externer, satzartiger Strukturen <strong>und</strong> der mit ihnen möglichen Ope<br />
rationen gleichzeitig in sein <strong>Selbstmodell</strong> einbettet. Nur so könnte ein<br />
phänomenales Cogito entstehen <strong>und</strong> damit ein psychologisches <strong>Subjekt</strong>,<br />
das sich als ein denkendes <strong>Subjekt</strong> erleben kann. Wir selbst besitzen diese<br />
Fähigkeit nur in sehr beschränktem Ausmaß: Die mentale Modellierung<br />
einer noch relativ simplen Operation in einem digitalen Code zum Bei<br />
spiel das Lösen der Aufgabe 4179 x 2968 „im Kopf“ überfordert unsere<br />
Gehirne sehr schnell. Mit externen Instrumenten wie Papier, Bleistift <strong>und</strong><br />
den mit ihnen erzeugbaren Schriftzeichen können wir diese Aufgabe in<br />
einer Sequenz von äußeren Schritten jedoch leicht lösen (unter anderem<br />
deshalb, weil wir nicht mit der Tatsache zu kämpfen haben, daß die menta<br />
len Repräsentate der Zwischenschritte nach wenigen Sek<strong>und</strong>en aus dem<br />
Puffer unseres Kurzzeitgedächtnisses verschwinden). Kurz: Nur ein in eine<br />
Sprechergemeinschaft integriertes künstliches System könnte eine externe<br />
Sprache semantisch zu beherrschen lernen. Nur ein solches System wäre<br />
auch in der Lage, die durch eine Sprache ermöglichten kognitiven Leistun<br />
gendanninternnocheinmalzumodellieren.<br />
Ich habe eine repräsentationale Analyse des psychologischen <strong>Subjekt</strong>s<br />
angeboten. Aus der hier vorgeschlagenen <strong>Selbstmodell</strong> Theorie geht nicht<br />
hervor, welche Klasse von physikalischen Systemen die betreffenden „bot<br />
tom up constraints“ erfüllen <strong>und</strong> deshalb qualitativ gehaltvolles Selbstbe<br />
wußtsein instantiieren können. Im Rahmen der „starken“ <strong>Selbstmodell</strong><br />
Theorie (im Sinne einer Kombination der Hypothesen SMT, MRT <strong>und</strong><br />
AIT) ist es also durchaus möglich, daß es einmal nicht biologische <strong>Subjekt</strong>e<br />
geben wird. 38 Die ersten Forschungsprogramme mit dem Entwicklungsziel<br />
„introspektiver KI Systeme“ 39 haben bereits begonnen. Trotzdem sollten<br />
wir uns diesbezüglich vor einem naiven <strong>und</strong> vorschnellen Optimismus<br />
(oder Pessimismus) hüten. Wie wir eben gesehen haben, gibt es interessante<br />
Kandidaten für zusätzliche Kriterien, die ein artifizielles System erfüllen<br />
muß, wenn wir es als genuines psychologisches <strong>Subjekt</strong> in einem weiteren<br />
Sinne akzeptieren sollen. Einen letzten normativen Charakter werden sol<br />
che Kriterien allerdings nicht verlieren. Und es wäre unvorsichtig, von der<br />
38 Mentale Modelle sind, wenn sie nur über ihren Gehalt <strong>und</strong> nicht über ihr funktionales<br />
Profil oder ihre spezifischen Aktivierungsbedingungen beschrieben werden, ontologisch neu<br />
trale Entitäten. Hilary Putnam hat bereits Mitte der sechziger Jahre darauf hingewiesen, daß<br />
auch Engel Turing Maschinen sein könnten, weil der klassische Maschinen Funktionalismus<br />
nichts über die Art aussagt, in der ein abstrakter Automat letztlich realisiert wird. Auch<br />
<strong>Selbstmodell</strong>generatoren könnten theoretisch auf nicht physikalischer „Astralmaterie“ oder<br />
auf „angel stuff“ realisiert sein <strong>und</strong> in diesem Sinne nicht biologische <strong>Subjekt</strong>e instantiieren.<br />
Die teleofunktionalistische Analyse solcher Systeme bekäme aber Schwierigkeiten bei der<br />
Spezifizierung von Input Output Relationen <strong>und</strong> Zielvariablen. Vgl. Putnam 1975.<br />
39 Einen Überblick über Bereiche der Metakognitions <strong>und</strong> Selbstkonzeptforschung gibt<br />
Kiefer 1988, Teil I.