Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 275<br />
<strong>Subjekt</strong> ist. Es müßte sich in einer physischen Wettbewerbssituation mit<br />
anderen Systemen befinden, etwa um Energiequellen, Verbesserung seines<br />
sozialen Status oder um die erfolgreiche Replikation seiner funktionalen<br />
Struktur auf anderen Trägersystemen. Außerdem müßte es in der Lage sein,<br />
Operationen auf einer intern repräsentierten Bedürfnishierarchie durchzu<br />
führen. Das heißt: Es müßte genuine, selbst definierte Meta Ziele erzeugen<br />
<strong>und</strong> mental modellieren, es müßte das besitzen, was Harry Frankfurt als<br />
„second order volitions“ bezeichnet hat. 36 Dann könnten allerdings innere<br />
Zustände entstehen, die die aktuelle Interessenlage des Systems auf ähnli<br />
che Weise phänomenal darstellen wie wir selbst. Ein künstliches <strong>Subjekt</strong><br />
könnte man also nur im Rahmen einer künstlichen Gesellschaft erzeugen.<br />
Die kompetitive Integration künstlicher Systeme in menschliche Gesell<br />
schaften wäre allerdings ein Schritt, den man sorgfältig überlegen sollte:<br />
Wir könnten <strong>und</strong> das ist ja auch das zentrale intuitive Element des<br />
populären Ressentiments gegen die KI Forschung zu hilflosen Zauber<br />
lehrlingen werden, die eine postbiotische Evolution künstlicher <strong>Subjekt</strong>e in<br />
Gang gesetzt haben, die sie nun schon allein aus ethischen Gründen nicht<br />
mehr unterbrechen dürfen.<br />
Die Realität wird solche Phantasien so bald nicht einholen. Die Erfah<br />
rung hat bereits gezeigt, daß der Teufel in technischen Details steckt <strong>und</strong><br />
nicht in theoretischen Modellen. Es könnte sein, daß es einfach keine<br />
nicht biologische Hardware gibt, die das funktionale Profil der für die<br />
Instantiierung eines subjektzentrierten, phänomenalen Bewußtseins erfor<br />
derlichen repräsentationalen Abläufe physikalisch realisieren kann. Außer<br />
dem gibt es eine Reihe weiterer Kriterien, die jedes System erfüllen müßte,<br />
wenn es ein <strong>Subjekt</strong> im starken Sinne sein soll:<br />
Phänomenale Historizität: Ein solches System muß eine Geschichte be<br />
sitzen (eine „Kindheit“, in der es seine eigene innere Konfiguration in Inter<br />
aktion mit der Umwelt herausbildet). Diese Geschichte muß durch mentale<br />
<strong>Selbstmodell</strong>ierung intern abgebildet werden, so daß eine subjektive Biogra<br />
phie entsteht <strong>und</strong> das System seine eigene Geschichtlichkeit, seine innere<br />
<strong>und</strong> äußere Prozessualität auch als seine eigene bewußt erleben kann.<br />
Implizites Hintergr<strong>und</strong>wissen: Das ganz spezifische „In der Welt<br />
Sein“ menschlicher <strong>Subjekt</strong>e hängt auch mit dem enormen Umfang <strong>und</strong><br />
der Komplexität ihres impliziten Wissens über die Struktur ihrer sozialen<br />
Umgebung <strong>und</strong> der evolutionsbiologisch relevanten Aspekte der physikali<br />
schen Umwelt zusammen. Diese Tatsache ist häufig <strong>und</strong> meiner Auffas<br />
sung nach berechtigterweise als Argument gegen die starke KI These bezüg<br />
lich klassischer KI Systeme mit einer sequentiellen Architektur ins Feld<br />
geführt worden 37 . Ob sie sich auch erfolgreich gegen neuronale Netze oder<br />
Hybrid Systeme wird einsetzen lassen, bleibt abzuwarten.<br />
36 Vgl. Frankfurt 1981 (1971).<br />
37 Vgl. etwa Dreyfus 1985, Dreyfus⁄ Dreyfus 1987 <strong>und</strong> die in Born 1987 zusammengestell<br />
ten Texte.