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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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262<br />

5. Kapitel<br />

ment, das sie selbst nicht kennt. 29 Es sind die Metarepräsentationsvorgänge<br />

des Gehirns, die wir zu steuern meinen, wenn wir die Aufmerksamkeit<br />

unseren subjektiven Zuständen zuwenden. In solchen psychischen Situa<br />

tionen aktiviert das Gehirn häufig ein Modell des Selbst als eines inneren<br />

(aber höchstens diffus lokalisierten) Homunkulus, der den Lichtstrahl fo<br />

kussierter Aufmerksamkeit durch die phänomenale Welt wandern läßt. Es<br />

mag wahr sein, daß solche Formen der <strong>Selbstmodell</strong>ierung letztlich bloß<br />

phänomenale Konfabulationen sind, mit denen das System sich seine eige<br />

nen höherstufigen Zustände zu erklären versucht. In unserem Zusammen<br />

hang ist nur wichtig, daß Introspektion ein schlecht verstandener Vorgang<br />

ist, der eine bestimmte Klasse von mentalen Modellen erzeugt. Mentale<br />

Modelle als Analogrepäsentate besitzen keine Wahrheitswerte, <strong>und</strong> können<br />

schon deshalb nicht in Konkurrenz treten mit wissenschaftlichen Theorien<br />

gleich welcher Art. Mentale Modelle erzeugen nicht diskursives Wissen.<br />

Die Sätze, mit denen sich eine Person auf diegegenwärtig in ihr aktivierten<br />

mentalen Modelle bezieht, werden normalerweise in anderen Kontexten<br />

geäußert <strong>und</strong> verfolgen ein anderes Ziel als die Sätze einer wissenschaftli<br />

chen Psychologie.<br />

Wenn Sie sagen: „Ich spüre, wie sehr ich meinen Mann liebe, weil ich<br />

gerade eifersüchtig bin“, dann könnte ein Neurowissenschaftler der Zu<br />

kunft Ihnen vielleicht entgegnen: „Tut mir leid, aber meine Instrumente<br />

zeigen mir, daß die von Ihrem Gehirn derzeit durchgeführte emotionale<br />

<strong>Selbstmodell</strong>ierung nach der von der Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation zugrun<br />

degelegten wissenschaftlichen Taxonomie mentaler Zustände eindeutig in<br />

die diagnostische Kategorie „neurotische Verlustangst“ fällt. Mit Liebe hat<br />

ihr innerer Zustand nichts zu tun.“ Wie würden Sie sich in einer solchen<br />

Situation verhalten? Wenn es stimmt, daß mentale Modelle funktional<br />

aktive Strukturen innerhalb eines Systems sind, die als solche einen Ein<br />

fluß auf sein inneres <strong>und</strong> äußeres Verhalten besitzen, dann lassen sich<br />

solche Streitigkeiten zwischen introspektiven <strong>und</strong> wissenschaftlichen<br />

Theorien über mentale Zustände dadurch schlichten, daß man ihre predic<br />

tive power miteinander vergleicht, ihre Kraft, erfolgreiche Voraussagen<br />

über das zukünftige Verhalten des Systems zu machen. Die erkenntnis<br />

theoretische Autorität eines Systems bezüglich seiner eigenen subjektiven<br />

Zustände kann nur dadurch zustande kommen, daß es bessere Voraussa<br />

gen über die kausalen Konsequenzen dieser Zustände machen kann als<br />

andere Repräsentationssysteme. Ich möchte diesen Punkt jedoch nicht<br />

weiter vertiefen, sondern noch einmal auf den psychologischen Aspekt<br />

des Problems subjektzentrierter, phänomenaler Zustände zurückkom<br />

men. Werfen wir dazu erneut einen Blick auf die drei phänomenologi<br />

schen Säulen von <strong>Subjekt</strong>ivität, so wie ich sie im ersten Kapitel eingeführt<br />

habe.<br />

29 Vgl. hierzu auch den Begriff des metapsychologischen Wissens bei Robert van Gulick in<br />

Van Gulick 1988a, 1988b.

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