Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 261<br />
Was sind introspektive Berichte über innere Eigenschaften? Es sind sprach<br />
liche Äußerungen, mit denen eine Person sich auf bewußte mentale Modelle<br />
bezieht. In einem weiteren Sinne gehören dazu auch alle bewußten menta<br />
len Modelle, die in das Realitätsmodell der Person eingebettet sind: Die<br />
Eigenschaften des Realitätsmodells sind in einem repräsentationalen Sinn<br />
die Eigenschaften interner Datenstrukturen, also innere Eigenschaften. Die<br />
philosophisch interessante Form von subjektiver Innerlichkeit wird aber<br />
nur durch solche Strukturen erzeugt, die in das aktuelle <strong>Selbstmodell</strong> einge<br />
bettet sind. Denn nur die in das aktuelle <strong>Selbstmodell</strong> eingeb<strong>und</strong>enen men<br />
talen Modelle instantiieren innere Eigenschaften im Sinne phänomenaler<br />
Innerlichkeit. Introspektive Berichte <strong>und</strong> Selbstzuschreibungen psycholo<br />
gischer Eigenschaften beziehen sich also auf diejenige Partition des Selbst<br />
modells eines Sprechers, die durch Metarepräsentation zum Inhalt innerer<br />
Bewußtheit geworden ist. 27 Allgemein kann man sagen: Die Aussagen, die<br />
ein System introspektiv über seine aktuellen psychologischen Eigenschaf<br />
ten macht, sind indexikalische Aussagen über eine ganz bestimmte Teil<br />
menge der gegenwärtig von ihm aktivierten mentalen Modelle unter der<br />
Hinsicht der Internalität.<br />
Bei wissenschaftlichen Sätzen über die mentalen Modelle eines Systems<br />
oder einer bestimmten Klasse von Systemen fällt die zuletzt genannte Hin<br />
sicht weg: Sie können prinzipiell von beliebigen Sprechern geäußert wer<br />
den. Das liegt daran, daß die von einer wissenschaftlichen Psychologie<br />
entworfenen Landkarten der repräsentationalen Struktur, die biologische<br />
(<strong>und</strong> vielleicht in der Zukunft auch einmal artifizielle) Systeme in sich<br />
entwickeln, den „kleinen roten Pfeil“ nicht besitzen. Das heißt aber nicht,<br />
daß sie uns nicht beschreiben <strong>und</strong> erklären können, wie die kleinen roten<br />
Pfeile in den mentalen Landkarten von denen die wissenschaftlichen<br />
Landkarten handeln entstehen, welche Funktion sie für das System besit<br />
zen <strong>und</strong> welche neuen psychologischen Eigenschaften durch diese „reprä<br />
sentationale Benutzerfixierung“ ins Spiel kommen. Die wissenschaftliche<br />
Psychologie hat als eine empirisch f<strong>und</strong>ierte Theorie natürlicher Repräsen<br />
tationssysteme außerdem ein weiteres Spektrum als die Alltagspsychologie.<br />
Denn sie hat mit ihrem Instrumentarium auch einen direkten Zugriff auf<br />
solche mentalen Modelle, die Versuchspersonen introspektiv nicht zugäng<br />
lich sind auf das, was man früher „das Unbewußte“ nannte.<br />
Die Alltagspsychologie 28 der ersten Person benutzt ein Erkenntnisinstru<br />
27 Aussagen über dispositionale psychologische Eigenschaften („Ich habe einen Hang zur<br />
Selbstverliebtheit“) sind dementsprechend Aussagen über die funktionale Struktur der Selbst<br />
modellierung <strong>und</strong> nicht über den aktuellen Gehalt des durch sie aktivierten <strong>Selbstmodell</strong>s.<br />
28 Mir fehlt hier der Raum, um auf die Debatte um den Theoriestatus der vorwissenschaft<br />
lichen folk psychology einzugehen. Die prominentesten philosophischen Gegner der Alltags<br />
psychologie sind Patricia <strong>und</strong> Paul Churchland, vgl. Churchland, P.M. 1979, 1989, Church<br />
land, P.S. 1986. Verteidigungen des common sense Intentionalismus finden sich bei Kitcher<br />
1984, von Eckardt 1984, wichtige weitere Texte sind Dennett 1987 <strong>und</strong> Stich 1978 (1990),<br />
1983. Eine knappe Einführung mit weiteren bibliographischen Angaben <strong>und</strong> einigen neueren<br />
Texten findet sich bei Lycan 1990, Teil VI.