Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 257<br />
mentales Simulat der Wirklichkeit. Dieses nicht zentrierte mentale Modell<br />
der Realität enthält, so sagt Nagel, alle Erfahrungen <strong>und</strong> die Perspektive<br />
von TN:<br />
Doch die Erlebnisse <strong>und</strong> die Perspektive von TN, die mir unmittelbar gegeben<br />
sind, machen nicht den Standpunkt des eigentlichen Selbst aus, da das eigentli<br />
che Selbst eben keine Perspektive hat, sondern TN <strong>und</strong> seine Perspektive in<br />
seiner Auffassung von einer zentrumlosen Welt als Inhalt dieser Welt mitein<br />
schließt. 22<br />
Aber das ist falsch: Diese innere Erfahrung, nämlich den aus der Perspek<br />
tive des psychologischen <strong>Subjekt</strong>s TN initiierten <strong>und</strong> durchgeführten View<br />
from Nowhere,enthältdie„centerless conception of the world“ eben nicht. 23<br />
Dieaktuelle Perspektiveist in dem zentrumlosenBild der Welt, aufwelches das von Nagel postulierte wahre Selbst in nicht perspektivischer Weise<br />
schaut, nicht enthalten. Das ist deshalb so, weil der eigentlicheAgent, der<br />
alle hier diskutierten phänomenalen Zustände <strong>und</strong> auch ihre philosophi<br />
schen Interpretationen erzeugt, das Gehirn eines biologischen Organismus<br />
ist.<br />
Vielleicht verstehen wir besser, was Nagel uns sagen will, wenn wir eine<br />
der Metaphern untersuchen, die er uns anbietet: „. . . this thinking subject<br />
regards the world through the person TN“. 24 Die wirkliche Situation ist<br />
natürlich eine andere: Ein biologisches Repräsentationssystem „betrach<br />
tet“ die Welt, indem es ein internes Modell von ihr <strong>und</strong> von sich selbst in<br />
ihr erzeugt. Dieses System bemerkt nun an sich eine interessante Fähigkeit:<br />
Es kann sich von seinem mentalen <strong>Selbstmodell</strong> immer wieder distanzie<br />
ren, indem es Teile davon mental als Objekt beziehungsweise als eine an<br />
dere Person modelliert. Als natürlicher Psychologe versucht dieses System<br />
aber auch immer, sich seine eigenen kognitiven Operationen <strong>und</strong> Kapazitä<br />
ten zu erklären. Dies tut es jedoch unter ganz bestimmten Bedingungen:<br />
Unter den Bedingungen eines naiv realistischen Selbstmißverständnisses,<br />
welches durch die semantische Transparenz der beteiligten mentalen Mo<br />
delle erzeugt wird. Das führt dazu, daß es sich als ein Wesen begreift, das<br />
sich von seinem phänomenalem Ich (dem <strong>Selbstmodell</strong>) immer wieder<br />
distanzieren kann, indem es dieses mit Hilfe des Blicks aus dem Nirgendwo<br />
in ein „objektives“ inneres Bild hinüberschiebt. Daraus schließt das System<br />
korrekterweise, daß es nicht mit diesem phänomenalen Ich identisch ist,<br />
sondern es nur als Erkenntnisinstrument benutzt. Die naiv realistischeIn terpretation dieses Sachverhalts lautet: „Ich betrachte die Welt durch die<br />
historische Person TN“. Dann aber entsteht das folgende Problem: Wer bin<br />
ich? Weristes,derebendiese Operation durchführt? Das, was vor dem<br />
22 Vgl. Nagel 1992: 109.<br />
23 Wenn es sie doch in ihrem vollen Gehalt enthielte, würde eine Erfahrung entstehen, die<br />
TN im Nachhinein folgendermaßen beschreiben könnte: „Ich habe mich vollkommen aufgelöst<br />
<strong>und</strong> bin mit dem objektiven Selbst verschmolzen“. DasistabernichtThomasNagelsThese.<br />
24 Vgl. Nagel 1986: 60.