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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 255<br />

Der Blick von nirgendwo ist eine komplexe mentale Operation, die Nagel<br />

uns vorschlägt, um uns hinterher eine essentialistische Interpretation der<br />

durch sie entstehenden inneren Erfahrungen anzubieten. Diese Operation<br />

ist reversibel: Ein System erzeugt zuerst in einem Teil seines inneren Simu<br />

lationsraumes das mentale Modell einer „TM“ genannten Person. Dieses<br />

mentale Modell reichert es so stark wie möglich mit dem Gehalt eines<br />

anderen Modells an, nämlich mit dem Gehalt des <strong>Selbstmodell</strong>s (würde das<br />

System sein <strong>Selbstmodell</strong> vollkommen deaktivieren, gäbe es auch kein<br />

subjektives Erleben <strong>und</strong> keine Erinnerung an den View from Nowhere<br />

mehr). So entsteht das mentale Modell einer anderen Person, allein in<br />

Ozeanen von Raum <strong>und</strong> Zeit, „a momentary blip on the cosmic TV<br />

screen“ 19 ein Modell des Systems, als ob es nur durch indirekte Quellen<br />

externen Wissens gegeben wäre. Man kann diese mentale Operation auch<br />

als den Versuch beschreiben, den kleinen roten Pfeil, den ich schon mehr<br />

mals erwähnt habe, von einer Simulation 20 der dynamischen, multimoda<br />

len Landkarte, die unser Gehirn von der Realität zeichnet, zu entfernen.<br />

In einem zweiten Schritt kann das System diesen Pfeil nun wieder einset<br />

zen, beziehungsweise das mentale Modell der Person „TM“ wieder in das<br />

<strong>Selbstmodell</strong> einbetten. Dieses innere Ereignis ist in der Tat ein erstaunli<br />

ches psychisches Phänomen, das die Aufmerksamkeit der Philosophie des<br />

Geistes wenn auch keine cartesianisch husserlsche Interpretation ver<br />

dient. Auf dieses Ereignis, auf die Fusionierung zweier mentaler Modelle<br />

unter sehr speziellen Bedingungen also, beziehen sich Sätze wie „Ich bin<br />

TM“ in ihrer zweiten Lesart. In dieser zweiten Lesart sind sie monologisie<br />

rende Identitätsaussagen, die der innerpsychischen Orientierung des Sy<br />

stems dienen, indem sie indexikalisch auf ein repräsentationales Ereignis<br />

im System Bezug nehmen. Das System führt eine Integration zweier menta<br />

ler Simulate durch, indem es das mentale Modell der Person „TM“ wieder<br />

in sein <strong>Selbstmodell</strong> einbettet. Auf diese mentale Operation kann es (in<br />

einer monologischen Situation) mit Hilfe des Satzes „Ich bin TM“ Bezug<br />

nehmen. Die Operation wird auf der Ebene phänomenalen Erlebens von<br />

einem Ereignis begleitet, das ich im vierten Kapitel etwas pathetisch als den<br />

Absturz aus dem unendlichen Raum, den der View from Nowhere in uns<br />

öffnet, in die Begrenzungen <strong>und</strong> Perspektivengeb<strong>und</strong>enheit eines partiku<br />

laren psychologischen <strong>Subjekt</strong>s beschrieben habe. Allerdings gibt es keinen<br />

kleinen Homunkulus, der sich kurzfristig mit dem transzendentalen Ego<br />

(Nagels objektivem Selbst) vereint hat <strong>und</strong> nun ins empirische Ich zurückge<br />

schleudert wird. Dies wäre nur eine metaphysische <strong>und</strong> naiv realistische<br />

Interpretation bestimmter introspektiver Erlebnisse. Die korrekte Interpre<br />

tation des fraglichen psychischen Phänomens lautet: Ein selbstmo<br />

19 Vgl. Nagel 1986: 61.<br />

20 Man darf dabei nie vergessen, daß es sich nur um intendiertes Imaginieren handelt, also<br />

nur um eine Simulation des Realitätsmodells. Nach der von mir vorgeschlagenen Theorie<br />

mentaler Repräsentation würde eine Entfernung des kleinen roten Pfeils (des <strong>Selbstmodell</strong>s)<br />

im primären mentalen Realitätsmodell zu einem Zusammenbruch subjektiven Bewußtseins<br />

führen.

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