Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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23.10.2012 Aufrufe

252 5. Kapitel in naturwissenschaftlicher Terminologie beschreibbare Eigenschaften. Als vom System selbst intern noch einmal in analogem Format metarepräsen tierte Strukturen also als Inhalte phänomenalen Bewußtseins und reprä sentationale Instantiierungsbasis psychologischer Eigenschaften besitzen sie ebenfalls öffentliche Eigenschaften, die prinzipiell empirisch erfaßt wer den können. Trivialerweise führt die Erzeugung solcher Beschreibungen in intersubjektiven Repräsentationssystemen nicht ihrerseits zur Instan tiierung psychologischer Eigenschaften durch dieselben. LS 3: Läßt die Elimination des Subjektgebrauchs von „Ich“ eine Lücke in unserem Verständnis offen? Wie Thomas Nagel bemerkt hat 11 , befähigt uns die Tatsache, daß wir unper sönliche Wahrheitsbedingungen für Aussagen in der ersten Person angeben können, nicht, diese Aussagen zu machen, ohne die erste Person zu verwen den. Wenn Sie Schmerzen in ihrem Fuß haben und zu mir sagen „Ich habe Schmerzen in meinem Fuß“, dann ist das etwas anderes, als zu sagen: „Dieses Gehirn aktiviert gerade ein Selbstmodell, in das das mit einem Schmerzpräsentat unterlegte mentale Modell eines Fußes eingebettet wur den“. Was genau ist es, das fehlt? Es ist die eben bereits angesprochene Hinsicht der Internalität: Die Identität von Sprecher und Selbstmodeller zeuger. Diese Form der indexikalischen Bezugnahme auf ein mentales Mo dell kann immer nur von einem einzigen System geleistet werden, in objek tiven Aussagen über mentale Selbstmodelle muß diese Hinsicht der Internalität zugunsten des von solchen Aussagen angestrebten höheren All gemeinheitsgrades eliminiert werden. Das, was ich als die Hinsicht der Internalität bezeichnet habe, ist der kleine rote Pfeil auf der Landkarte, der eine objektive Darstellung eines Zustandes der Welt („Dieses Gehirn akti viert gerade ein Selbstmodell, in das das mit einen Schmerzpräsentat unter legte mentale Modell eines Fußes eingebettet wurde“) in eine nur noch für von einem einzigen Benutzer sinnvoll einzusetzende Repräsentation trans formiert („Ich habe Schmerzen in meinem Fuß“). Ist der kleine rote Pfeil ein metaphysisches Mysterium, das auf eine fundamentale und philosophisch bedeutsame Unvollständigkeit des wissenschaftlichen Weltbilds hinweist? DiesistThomasNagelsThese. Es stellt sich damit die Kardinalfrage, ob die Elimination dieses eigentümli chen Gedankens der ersten Person zugunsten seiner impersonalen Wahrheits bedingungen in unserer Weltbeschreibung nicht doch eine wesentliche Lücke hinterläßt. Und ich bin der Meinung, daß sie auf jeden Fall etwas ausläßt. 12 Eine wichtige Beobachtung, die sich aus den vorangegangen Überlegungen ergibt, scheint jetzt die folgende zu sein: Es gibt keinen Subjektgebrauch 11 Vgl. Nagel 1992 (1986): 104. 12 Vgl. Nagel 1992 (1986): 106.

Vom Subjekt zum Selbstmodell: Perspektivität ohne Ego 253 von „Ich“. 13 Was es gibt, ist der vom System durchgeführte Gebrauch von „Ich“ unter der Hinsicht der Internalität des Selbstmodells. Mit„Ich“be zieht sich ein informationsverarbeitendes System bei der Selbstzuschrei bung psychologischer Eigenschaften auf ein von ihm intern aktiviertes Analogrepräsentat seiner selbst, das die Basis für die Instantiierung der fraglichen Eigenschaften darstellt. Diese indexikalische Bezugnahme wird natürlich nicht vom phänomenalen Selbst durchgeführt, sondern von dem System als Ganzem. Der Sprecher ist immer das System als Ganzes. Das System als Ganzes ist aber zur gleichen Zeit das Repräsentandum des Selbstmodells, auf das das Wörtchen „Ich“ abzielt. Das, was wir seit Witt genstein 14 häufig als den Subjektgebrauch von „Ich“ bezeichnen, ist also seiner logischen Struktur nach die von einem System durchgeführte Indizie rung eines Selbstmodells durch die Erzeugung eines externen Repräsentats in propositionalem Format unter der Hinsicht der Internalität. 15 Diese lo gisch epistemische Struktur kann nur von dem betreffenden System selbst realisiert werden, darum ist es in einer prinzipiellen Weise privilegiert gegenüber jeder objektiv wissenschaftlichen Beschreibung. Was aber ist die bedeutende Lücke, die durch diese Tatsache in unserer Konzeption der Welt entsteht? Machen wir die starke Annahme, daß die wissenschaftliche Taxonomie mentaler Zustände sich mit der Individuie rung mentaler Zustände durch unser Gehirn verknüpfen ließe. Selbst in diesem Fall werden zukünftige wissenschaftliche Aussagen über mentale Selbstmodelle niemals den kleinen roten Pfeil besitzen, der auf der Ebene subjektiven Erlebens die phänomenale Qualität der „Meinigkeit“ erzeugt und auf der Ebene äußeren Sprechens in der Hinsicht der Internalität besteht das ist auch nicht ihr Ziel. Dieser Punkt wird noch deutlicher werden, wenn wir die folgenden beiden Fragen untersuchen. LS 6: Sind Sätze des Typs „Ich bin TM“ ausschließlich als Identi tätsaussagen zu interpretieren? LS 7: Gibt es nicht triviale Wahrheiten in Gestalt solcher Aussagen, die über die reine Selbstreferenz qua historische Person in einem sozialen Kontext hinausgehen? Was wären die Bedingungen der Wahrheit für solche Identifikationen? Wie ich im vierten Kapitel dargelegt habe, ist Nagels neuere Reformulie rung des Subjektivitätsproblems in ihrem Kern eine These über eine be stimmteKlassevonSätzen über Sätze vom Typ „Ich bin TM“. Die 13 Vgl. Wittgenstein 1970 (1958): 106f, dazu auch Shoemaker 1981b (1968). 14 Vgl. Wittgenstein 1970 (1958): 106f. 15 Die dieser Hinsicht zugrundeliegende Internalität ist eine schlicht räumliche: Die neuro biologische Realisierung des Selbstmodells befindet sich im System (z. B. in seinem Kopf).

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5. Kapitel<br />

in naturwissenschaftlicher Terminologie beschreibbare Eigenschaften. Als<br />

vom System selbst intern noch einmal in analogem Format metarepräsen<br />

tierte Strukturen also als Inhalte phänomenalen Bewußtseins <strong>und</strong> reprä<br />

sentationale Instantiierungsbasis psychologischer Eigenschaften besitzen<br />

sie ebenfalls öffentliche Eigenschaften, die prinzipiell empirisch erfaßt wer<br />

den können. Trivialerweise führt die Erzeugung solcher Beschreibungen in<br />

intersubjektiven Repräsentationssystemen nicht ihrerseits zur Instan<br />

tiierung psychologischer Eigenschaften durch dieselben.<br />

LS 3: Läßt die Elimination des <strong>Subjekt</strong>gebrauchs von „Ich“ eine<br />

Lücke in unserem Verständnis offen?<br />

Wie Thomas Nagel bemerkt hat 11 , befähigt uns die Tatsache, daß wir unper<br />

sönliche Wahrheitsbedingungen für Aussagen in der ersten Person angeben<br />

können, nicht, diese Aussagen zu machen, ohne die erste Person zu verwen<br />

den. Wenn Sie Schmerzen in ihrem Fuß haben <strong>und</strong> zu mir sagen „Ich habe<br />

Schmerzen in meinem Fuß“, dann ist das etwas anderes, als zu sagen:<br />

„Dieses Gehirn aktiviert gerade ein <strong>Selbstmodell</strong>, in das das mit einem<br />

Schmerzpräsentat unterlegte mentale Modell eines Fußes eingebettet wur<br />

den“. Was genau ist es, das fehlt? Es ist die eben bereits angesprochene<br />

Hinsicht der Internalität: Die Identität von Sprecher <strong>und</strong> <strong>Selbstmodell</strong>er<br />

zeuger. Diese Form der indexikalischen Bezugnahme auf ein mentales Mo<br />

dell kann immer nur von einem einzigen System geleistet werden, in objek<br />

tiven Aussagen über mentale <strong>Selbstmodell</strong>e muß diese Hinsicht der<br />

Internalität zugunsten des von solchen Aussagen angestrebten höheren All<br />

gemeinheitsgrades eliminiert werden. Das, was ich als die Hinsicht der<br />

Internalität bezeichnet habe, ist der kleine rote Pfeil auf der Landkarte, der<br />

eine objektive Darstellung eines Zustandes der Welt („Dieses Gehirn akti<br />

viert gerade ein <strong>Selbstmodell</strong>, in das das mit einen Schmerzpräsentat unter<br />

legte mentale Modell eines Fußes eingebettet wurde“) in eine nur noch für<br />

von einem einzigen Benutzer sinnvoll einzusetzende Repräsentation trans<br />

formiert („Ich habe Schmerzen in meinem Fuß“). Ist der kleine rote Pfeil ein<br />

metaphysisches Mysterium, das auf eine f<strong>und</strong>amentale <strong>und</strong> philosophisch<br />

bedeutsame Unvollständigkeit des wissenschaftlichen Weltbilds hinweist?<br />

DiesistThomasNagelsThese.<br />

Es stellt sich damit die Kardinalfrage, ob die Elimination dieses eigentümli<br />

chen Gedankens der ersten Person zugunsten seiner impersonalen Wahrheits<br />

bedingungen in unserer Weltbeschreibung nicht doch eine wesentliche Lücke<br />

hinterläßt. Und ich bin der Meinung, daß sie auf jeden Fall etwas ausläßt. 12<br />

Eine wichtige Beobachtung, die sich aus den vorangegangen Überlegungen<br />

ergibt, scheint jetzt die folgende zu sein: Es gibt keinen <strong>Subjekt</strong>gebrauch<br />

11 Vgl. Nagel 1992 (1986): 104.<br />

12 Vgl. Nagel 1992 (1986): 106.

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