23.10.2012 Aufrufe

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

248<br />

5. Kapitel<br />

wir die entsprechenden repräsentationalen Gesamtzustände nicht <strong>und</strong> kön<br />

nen sie uns auch nicht vorstellen. Die Tatsache, daß die meisten von uns<br />

gewisse mentale Simulationen nicht durchführen können, sagt aber nichts<br />

über den analytischen Status der Sätze aus, mit denen wir uns extern auf die<br />

entsprechenden mentalen Modelle beziehen könnten. Das gilt auch mit Blick<br />

auf die von Thomas Nagel so eindrücklich explizierte Kontingenz Intuition,<br />

die uns glauben läßt: „Ich hätte auch ein(e)ganz andere(r) sein können!“ Der<br />

von Vertretern eines essentialistischen <strong>Subjekt</strong>begriffs immer wieder nahege<br />

legte Fehlschluß beruht nämlich auf einer Verwechslung von mentaler Simu<br />

lation oder repräsentationalem Gesamtzustand einerseits <strong>und</strong> philosophi<br />

scher Ontologie andererseits. Die unbestrittene Tatsache ist, daß wir alle uns<br />

sehr wohl vorstellen können, ganz andere öffentliche <strong>und</strong> private Eigenschaf<br />

tenzubesitzen etwa die von Immanuel Kant. Das heißt aber nichts anderes<br />

als das Folgende: Unsere Gehirne können in einer bestimmten Partition des<br />

von ihnen geöffneten phänomenalen Raumes ein fiktives Selbstsimulat akti<br />

vieren, das die uns bekannten Eigenschaften von Immanuel Kant mehr oder<br />

weniger gut abbildet. Um den entsprechenden fiktiven Bewußtseinzustand<br />

zu erzeugen, müßte allerdings das alte Selbst vollkommen verloren gehen<br />

<strong>und</strong> ein entsprechender repräsentationaler Gesamtzustand aktiviert werden.<br />

Wir wären dann Systeme, die aufgr<strong>und</strong> eines hochgradig afunktionalen<br />

Selbstsimulats glauben, sie seien Immanuel Kant <strong>und</strong> sich selbst auch ent<br />

sprechend erleben. Wie die meisten meiner Kollegen wissen, treten solche<br />

Systeme tatsächlich immer wieder einmal auf. Aber gerade solche wahnarti<br />

gen, auf außer Kontrolle geratenen mentalen Simulationsversuchen beru<br />

henden Zustände zeigen ja, daß es eben keinen essentiellen Wesenskern des<br />

phänomenalen Ich mehr gibt. Aus der intendierten Erzeugung von Selbstsi<br />

mulaten dagegen kann man keine Schlüsse auf die ontologische Struktur der<br />

Welt oder die Analytizität der diese Simulate extern indizierenden Sätze<br />

ziehen: Repräsentationale Möglichkeiten rechtfertigen weder Existenzan<br />

nahmen noch Aussagen über logisch mögliche Welten (auf das, was Nagel<br />

„den Übergang von einem objektiven in ein subjektives Weltbild“ nennt,<br />

gehe ich weiter unten ein). Was in allen subjektiven repräsentationalen Ge<br />

samtzuständen auch dann, wenn sie zusätzliche simulierte <strong>Selbstmodell</strong>e<br />

enthalten gleich bleibt, ist ihre Zentriertheit. Die phänomenale Perspektivi<br />

tät des entsprechenden Bewußtseinszustands ist aber kein perspectival fact<br />

im ontologisierten Nagelschen Sinne, sondern einfach eine psychologische<br />

Eigenschaft, die von einem System durch die Aktivierung eines zentrierten<br />

Realitätsmodells instantiiert wird.<br />

Werfen wir abschließend auch einen kurzen Blick auf die mythologische<br />

Intuition bezüglich der nicht derivativen Gegebenheit subjektiver Inhalte.<br />

Mentale Präsentate werden so schnell <strong>und</strong> zuverlässig aktiviert, daß die sie<br />

darstellende <strong>und</strong> zu Bewußtseinsinhalten machende Metarepräsentations<br />

funktion ihren Konstruktionsprozeß nicht mehr erfaßt. 6 Dadurch werden<br />

6 Es mag auch sein, daß diese metarepräsentationale Erfassung deswegen nicht gelingt, weil<br />

sie bereits in der funktionalen Architektur des Gehirns nicht „vorgesehen“ ist.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!