Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 247<br />
noch keine epistemische Rechtfertigung der durch diese Operationen akti<br />
vierten mentalen Modelle dar eine solche These wäre nur eine weitere<br />
Variante des genetischen Fehlschlusses.<br />
Allerdings verkörpert die funktionale Architektur biologischer Gehirne<br />
im Normalfall eine große Menge an Information darüber, was in der Um<br />
welt des Systems <strong>und</strong> seiner Vorfahren möglich ist. Wenn wir uns ein<br />
konnektionistisches System etwa ein neuronales Netz als ein durch eine<br />
sehr große Anzahl von instanzbasierten Lernschritten intern konfiguriertes<br />
System denken, dann fällt auf, daß ein solches System eine innere Energie<br />
landschaft in sich erzeugt hat, die manche seiner Aktivierungszustände zu<br />
wahrscheinlicheren <strong>und</strong> andere zu unwahrscheinlicheren macht. Für die<br />
Wahrscheinlichkeit, mit der ein System sich relativ zu einem gegebenen<br />
Input in bestimmten Partitionen seines Zustandsraums aufhalten wird,<br />
beziehungsweise für die notwendige Energie, die aufgewendet werden muß,<br />
um einen bestimmten Aktivierungszustand zu stabilisieren, gibt es präzise<br />
mathematische <strong>und</strong> physikalische Modelle. Die technischen Details sind<br />
für die philosophische Fragestellung weniger interessant als die Einsicht,<br />
daß die funktionale Mikroarchitektur eines solchen Systems festlegt, wel<br />
che mentalen Simulationen ihm möglich sind <strong>und</strong> welche nicht. Mit ande<br />
ren Worten: Die biologische Geschichte unserer Gehirne in ihren speziellen<br />
Umwelten bestimmt was wir uns vorstellen können <strong>und</strong> auch, was wir uns<br />
nicht vorstellen können. Wir können uns das Kontinuum der Raumzeit<br />
nicht vorstellen, weil das drei räumliche <strong>und</strong> eine distinkte, unidirektionale<br />
zeitliche Dimension beinhaltende mentale Realitätsmodell, das unsere Ge<br />
hirne im Wachzustand aktivieren, für unsere biologische Umwelt ausrei<br />
chend war. Das heißt: Es greift die für eine funktionale Adäquatheit unseres<br />
Verhaltensprofils wichtigen Eigenschaften der physikalischen Welt zuver<br />
lässig heraus. Wir können uns den dreizehndimensionalen Schatten eines<br />
vierzehndimensionalen Würfels nicht vorstellen, weil unser visueller Cor<br />
tex niemals mit solchen Objekten konfrontiert war <strong>und</strong> deshalb die reprä<br />
sentationalen Ressourcen zur Durchführung der entsprechenden mentalen<br />
Simulation nicht aufgebaut hat, beziehungsweise weil die ihr korrespondie<br />
renden Aktivierungszustände in einem extrem weit vom Harmoniemaxi<br />
mum entfernten Bereich seines Zustandsraums liegen. Über die Struktur<br />
der Welt im allgemeinen sagt dieses Faktum brutum nichts aus.<br />
Die Unteilbarkeits Intuition,derDescartesinseinerSechsten Meditation<br />
den Charakter einer unmittelbar evidenten Wahrheit bezüglich jeder res<br />
cogitans zu verleihen sucht, hat ihre Wurzeln in unserer Unfähigkeit, unse<br />
ren inneren Repräsentationsraum oder das in ihn eingebettete <strong>Selbstmodell</strong><br />
im Rahmen einer mentalen Simulation zu spalten: Als physische Systeme<br />
sind wir aufgr<strong>und</strong> von Eigenheiten unserer funktionalen Architektur in<br />
Standardsituationen nicht in der Lage, mehrere stabile <strong>und</strong> konsistente<br />
mentale Realitäts <strong>und</strong> <strong>Selbstmodell</strong>e in uns zu aktivieren. Da die meisten<br />
von uns noch nie hypnotisch induzierte Dissoziationen, psychotische<br />
Schübe oder andere der von mir in den Abschnitten 2.3.2 <strong>und</strong> 3.2.2 disku<br />
tierten Beispiele für phänomenale Spaltungszustände erlebt haben, kennen