Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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5. Kapitel<br />
Zustände in sich erzeugen. Alle diese Zustände besitzen physikalische Be<br />
schreibungen. Die für Verhaltenserklärungen <strong>und</strong> die Zuschreibung psy<br />
chologischer Eigenschaften interessanten Charakteristika dieser intern er<br />
zeugten Systemzustände erfassen wir aber auf wesentlich abstrakteren, das<br />
heißt höher angesiedelten Beschreibungsebenen. Das tun wir, indem wir sie<br />
über ihre kausale Rolle in der globalen Ökonomie des Systems individu<br />
ieren oder ihnen intentionalen <strong>und</strong> phänomenalen Gehalt zuschreiben. Die<br />
Rückbindung dieser abstrakteren Beschreibungssysteme an die sich aus<br />
empirischen Erkenntnissen ergebende, in ständigem Fluß befindliche wis<br />
senschaftliche Taxonomie mentaler Zustände einerseits <strong>und</strong> an unsere<br />
christlich cartesianisch geprägte Alltagsphänomenologie andererseits er<br />
zeugt die bekannten begrifflichen Dissonanzen <strong>und</strong> philosophischen Pro<br />
bleme.<br />
Ich werde nun zu zeigen versuchen, welche Antworten man vor dem<br />
Hintergr<strong>und</strong> einer naturalistischen Theorie mentaler Repräsentation auf<br />
die eingangs formulierten Fragen geben kann. Da der zugr<strong>und</strong>egelegte be<br />
griffliche Rahmen der mentalen Modellierung bewußt plastisch angelegt<br />
ist, also offen für zukünftige Erweiterungen, semantische Anreicherungen<br />
<strong>und</strong> Eliminationen sein soll, sind alle diese Antworten vorläufige Antwor<br />
ten: Der Leser sollte sie nicht als Endstationen <strong>und</strong> fixe Positionen betrach<br />
ten, sondern eher als Türen. Hinter diesen Türen liegen neue Räume post<br />
metaphysischer Selbsterkenntnis, die uns sowohl mit einem neuen Ver<br />
ständnis unserer selbst als geistigen Wesen als auch mit einer Vielzahl neuer<br />
Probleme konfrontieren werden.<br />
Die erste Gruppe von Problemen besteht nicht aus theoretischen, son<br />
dern aus intuitiven Problemen: Das eben skizzierte Bild vom Gehirn als<br />
totalem Flugsimulator, der unter anderem auch uns selbst erzeugt, kolli<br />
diert frontal mit unserem Selbsterleben. Selbst wenn wir SMT, die<br />
<strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität, für akzeptabel halten, können wir<br />
eigentlich nicht wirklich glauben, daß wir als phänomenale Wesen die von<br />
„unseren“ Gehirnen aktivierten <strong>Selbstmodell</strong>e sind.<br />
P1: Wie entstehen cartesianische Intuitionen wie z. B. die Kon<br />
tingenz Intuition, die Unteilbarkeits Intuition, das Gefühl der di<br />
rekten Gegebenheit mentaler Inhalte?<br />
Unsere Intuitionen sind eine direkte Widerspiegelung von „impliziten An<br />
nahmen“ über das Wesen der Wirklichkeit, die in unserem mentalen Reali<br />
tätsmodell kodiert sind. Diese „impliziten Annahmen“ sind jedoch keine<br />
verborgenen satzartigen Strukturen, die den Gehalt unserer bewußten kog<br />
nitiven Operationen beeinflussen, sondern letztlich Eigenschaften der<br />
funktionalen Architektur unseres Nervensystems. Diese funktionale Archi<br />
tektur ist das Resultat eines erbarmungslosen, Millionen Jahre andauern<br />
den biologischen Optimierungsvorganges. Die funktionale Adäquatheit<br />
innerer Operationen relativ zu einer gegebenen Umwelt allein stellt aber