Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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5. Kapitel<br />
Aktivitäten des Gesamtsystems zu überwachen <strong>und</strong> mental abzubilden.<br />
Braucht das System für einen gewissen Zeitraum kein funktional aktives<br />
<strong>Selbstmodell</strong> mehr, so wird es einfach abgeschaltet. Mit dem <strong>Selbstmodell</strong><br />
verschwindet auch das Erlebnissubjekt: Der Schlaf ist der kleine Bruder des<br />
Todes.<br />
Wenden wir uns der zweiten, derrepräsentationalen Metapher für die<br />
Struktur unseres phänomenalen Bewußtseins zu. Menschliche Organis<br />
men im Wachzustand gehören zu einer bestimmten Klasse informations<br />
verarbeitender Systeme, nämlich zur Klasse der <strong>Selbstmodell</strong>generatoren.<br />
Von den Angehörigen anderer Systemklassen unterscheidet <strong>Selbstmodell</strong><br />
generatoren die Fähigkeit, die intern von ihnen erzeugten Repräsenta<br />
tionsräume durch ein <strong>Selbstmodell</strong> zu ergänzen. Dadurch werden diese<br />
Räume zu zentrierten Repräsentationsräumen: Sie gleichen jetzt einer<br />
fixierten inneren Landkarte der Welt, die auf die Interessen <strong>und</strong> Bedürf<br />
nisse eines individuellen Benutzers zugeschnitten ist ähnlich wie der an<br />
der Wand eines U Bahnhofes fest angebrachte Stadtplan mit einem klei<br />
nen roten Pfeil <strong>und</strong> dem Hinweis „SIE BEFINDEN SICH HIER“. Dieser<br />
kleine rote Pfeil ist das „<strong>Selbstmodell</strong> des Stadtplanbenutzers“, das die<br />
Position <strong>und</strong> damit auch die Interessen möglicher Benutzer eines solchen<br />
externen Repräsentats in diesem noch einmal spezifiziert. Durch den<br />
kleinen roten Pfeil <strong>und</strong> den indexikalischen Hinweissatz „SIE BEFIN<br />
DEN SICH HIER“ verliert der Stadtplan seine Universalität <strong>und</strong> wird zu<br />
einem Orientierungswerkzeug, das nur noch an einem einzigen Ort in der<br />
Welt erfolgreich von allen potentiellen Benutzern eingesetzt werden<br />
kann.<br />
Die von menschlichen Gehirnen erzeugten multimodalen Landkarten<br />
der Welt sind dagegen generelle Realitätsmodelle, die sich der jeweiligen<br />
Situation des Organismus anpassen <strong>und</strong> in Echtzeit aktualisiert werden. Da<br />
sie zudem interne Modelle der Welt sind, ist der Benutzer, dem sie dienen,<br />
in allen Situationen faktisch derselbe. Im Gegensatz zu fest installierten<br />
StadtpläneninUBahnhöfen ist nicht die Anwendungssituation fixiert <strong>und</strong><br />
die Benutzerklasse variabel, sondern das System über alle repräsentationa<br />
len Situationen hinweg identisch, während die Problemklasse eine sehr<br />
allgemeine ist. Wenn man so will, dann sind <strong>Selbstmodell</strong>e die kleinen<br />
roten Pfeile, die in komplexen mentalen Landkarten der Wirklichkeit die<br />
Eigenschaften des mentalen Geographen selbst für ihn noch einmal abbil<br />
den. 3 Deshalb verwandeln sie solange sie funktional aktiv sind die<br />
Realitätsmodelle, in die sie vom System eingebettet werden, in benutzer<br />
zentrierte Repräsentate: Nicht nur aus Gründen ihrer physikalischen Inter<br />
3 Dieser Vergleich hinkt unter anderem deshalb, weil mentale Modelle keine Variablen<br />
besitzen (vgl. Abschnitt 2.2): Das bewußte <strong>Selbstmodell</strong> ist immer interpretiert. Der kleine<br />
rote Pfeil auf dem Stadtplan an der Wand des U BahnhofesdagegenisteineVariable,weil<br />
verschiedene Passagiere die Karte benutzen können, indem sie sich mit dem kleinen roten<br />
Pfeil identifizieren (sich sozusagen in das Realitätsmodell des Stadtplans „inkarnieren“).