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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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Vom <strong>Subjekt</strong> zum <strong>Selbstmodell</strong>: Perspektivität ohne Ego 243<br />

Gegensatz zu Flugsimulatoren nicht auf einen eng umgrenzten Anwen<br />

dungsbereich fixiert, sondern offen für eine Unendlichkeit von repräsenta<br />

tionalen Situationen <strong>und</strong> Simulationsproblemen. Gehirne sind General<br />

Problem Solvers. 2 Das in unserem Zusammenhang wichtigste Unterschei<br />

dungsmerkmal zwischen einem menschlichen Gehirn <strong>und</strong> einem Flugsimu<br />

lator ist jedoch ein ganz anderes: Menschliche Gehirne simulieren den<br />

Piloten gleich mit.<br />

Denn natürlich gibt es keinen Homunkulus im System. Es gibt aber die<br />

Notwendigkeit für das System als Ganzes, sich seine eigenen inneren <strong>und</strong><br />

äußeren Handlungen selbst zu erklären. Es muß nämlich ein repräsentatio<br />

nales Werkzeug besitzen, mit dessen Hilfe es kritische Eigenschaften seiner<br />

selbst durch interne Simulation überwachen <strong>und</strong> sich selbst die Geschichte<br />

seiner eigenen Handlungen auch intern als seine Geschichte darstellen<br />

kann. Dieses Werkzeug ist das, was ich als das mentale <strong>Selbstmodell</strong> des<br />

Organismus bezeichnet <strong>und</strong> im dritten Kapitel genauer beschrieben habe.<br />

Das Gehirn unterscheidet sich nun von einem Flugsimulator unter ande<br />

rem dadurch, daß es nicht von einem Piloten benutzt wird, der vorüberge<br />

hend in es „eingestiegen“ ist. Es operiert wie ein „Totaler Flugsimulator“:<br />

Der Totale Flugsimulator ist ein selbstmodellierendes Flugzeug, das schon<br />

immer ohne Piloten fliegt <strong>und</strong> in seinem Flugsimulator ein komplexes Bild<br />

von sich selbst erzeugt. Weil es aber in einem naiv realistischen Mißver<br />

ständnis diesesBild als Ding interpretiert, entsteht in seinem Flugsimulator<br />

„der Pilot“. Dieses repräsentationale Mißverständnis erzeugt gleichzeitig<br />

auf der Ebene des subjektiven Erlebens ein phänomenales Selbstmißver<br />

ständnis. Jenes Defizit an subjektivem Wissen über die Entstehungsbedin<br />

gungen <strong>und</strong> die innere Struktur unseres Selbstbewußtseins zieht dann das<br />

platonische Bild vom Steuermann <strong>und</strong> die Geburt des cartesianischen My<br />

thos nach sich, die vielen falschen Theorien vom „Piloten“, der vorüberge<br />

hend in den Körper „eingestiegen“ ist. All diese Theorien erweisen sich nun<br />

im Rahmen unseres objektiven Wissenszuwachses auf schmerzliche Weise<br />

als unwahr. Im Gegenteil: Das Gehirn aktiviert den Piloten, <strong>und</strong> zwar<br />

immer dann, wenn es ihn als repräsentationales Werkzeug benötigt, um die<br />

Mauszeiger ist) sind jedoch noch nicht benutzerfixiert, weil sie nicht funktional untrennbar<br />

mit der Person verb<strong>und</strong>en sind, die den Datenoverall trägt. Aus diesem Gr<strong>und</strong> werden wir<br />

auch niemals wirklich „durch den Bildschirm hindurch“ in den Cyberspace eintreten können.<br />

Die zeitgenössische Begeisterung für das Vordringen des Menschen in künstliche virtuelle<br />

Welten übersieht, daß wir uns immer schon in einem biologisch generierten „Phenospace“<br />

befinden: Innerhalb einer durch mentale Simulation erzeugten virtuellen Realität. Trotzdem<br />

ist die technologische Metapher des Cyberspace ein wichtiger Fingerzeig, weil sie uns interes<br />

sante Intuitionen bezüglich unserer eigenen phänomenalen Zustände liefern kann. Künstliche<br />

Systeme, die in Echtzeit interaktive virtuelle Realitäten erzeugen, geben uns ein erstes Gefühl<br />

dafür, wie aus purer Informationsverarbeitung komplette Erlebniswelten entstehen können.<br />

2 Ein GPS (General Problem Solver) im Sinne des klassischen KI Ansatzes ist ein System,<br />

das sich mittels einer „Zweck Mittel Analyse“ („means end analysis“) stufenweise durch ei<br />

nen Raum möglicher Problemlösungsstrategien bewegt. Das Gr<strong>und</strong>verfahren ist dabei von<br />

speziellen Heuristiken <strong>und</strong> Operatoren unabhängig, deshalb leicht auf viele verschiedene<br />

Problemklassen anwendbar. Vgl. Haugeland 1987: 155ff.

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