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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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236<br />

4. Kapitel<br />

verstehen, wie <strong>Subjekt</strong>ivität als eine psychologische Eigenschaft entstehen<br />

kann. Deswegen dürfen wir sie nicht in Form eines denkenden <strong>Subjekt</strong>s be<br />

reits zu Anfang einführen. Wir müssen statt dessen wenn wir das philosophi<br />

sche Rätsel ernstnehmen <strong>und</strong> seiner metaphorischen Hülle entkleiden wollen<br />

erklären, wie ein System <strong>Subjekt</strong>ivität in Form monologischer Selbstreferenz<br />

<strong>und</strong> durch mentale Repräsentation erzeugen kann. Was die Frage nach irredu<br />

ziblen Tatsachen der ersten Person angeht, scheint es einen Ausweg zu geben,<br />

der mit Tatsachen bezüglich der mentalen Repräsentation von Gehirnen<br />

durch sich selbst zu tun hat. Im folgenden Kapitel werde ich versuchen, einen<br />

Weg in diese Richtung aufzuweisen. Vorerst sollten wir aber ein letztes Mal<br />

zurückkehren zu den beiden anderen auch von Nagel beleuchteten Haupta<br />

spekten des <strong>Subjekt</strong>ivitätsproblems, der <strong>Subjekt</strong>zentriertheit <strong>und</strong> dem qualita<br />

tiven Gehalt mentaler Zustände.<br />

Warum bilden bestimmte Ereignisse <strong>und</strong> Zustände in meinem Erlebnisfeld<br />

eine Teilmenge von solchen Zuständen, die mir direkt <strong>und</strong> nicht derivativ<br />

gegeben zu sein scheinen <strong>und</strong> absolut essentiell als meine erscheinen? Es gibt<br />

Zustände, die wir häufig als Zustände unseres Selbst beschreiben, wenn wir<br />

anderen Menschen von ihnen berichten. Die Meinigkeit dieser Zustände<br />

scheint sie zu bündeln, sie scheint sie zusammenzufassen <strong>und</strong> zwar in einem<br />

weit stärkeren Sinne als dem einer bloßen Klassenbildung durch Prädikation.<br />

In einem unbekannten Vorgang, den ich provisorisch als phänomenale Reifi<br />

kation bezeichnen möchte, wird diese Klasse von Zuständen so scheint es<br />

zu einem inneren Gegenstand (einem phänomenalen Individuum) verding<br />

licht. Diesen inneren Gegenstand bezeichnen wir nun extern als das (oder als<br />

unser) „Ich“ oder „Selbst“, <strong>und</strong> diese Beschreibung erzeugt die bekannten<br />

philosophischen Probleme. Der zentrale Fehlschluß der Nagelschen <strong>Subjekt</strong>t<br />

heorie scheint daher in der ontologischen Überhöhung eines repräsentationa<br />

len Phänomens zu bestehen: Daraus, daß natürliche Repräsentationssysteme<br />

wie wir selbst phänomenale Reifikationen durchführen, kann man nicht<br />

schließen, daß phänomenale Individuen existieren. 53<br />

53 Phänomenale Individuen entstehen z. B. dadurch, daß der qualitative Gehalt eines men<br />

talen Zustands (etwa die leuchtende, homogene Farbe eines grünen Nachbildes) als Eigen<br />

schaft erster Ordnung (eben eines solchen nicht physischen Einzeldings) interpretiert werden.<br />

Vgl. Lycan 1987: 16ff, 83ff. Ulrich Blau hat bemerkt, daß eine wichtige Funktion innerer<br />

Objekte in der Rettung eines vorkritischen Realitätsmodells besteht: „Betrachten Sie Ihre<br />

phänomenalen Objekte, mentalen Zustände, Erlebnisse oder Sinnesdaten, wie immer sie hei<br />

ßen mögen. Im naiv realistischen Weltbild erschienen sie dem <strong>Subjekt</strong> als innere Bilder von<br />

äußeren Objekten. Nach dem Verschwinden von <strong>Subjekt</strong> <strong>und</strong> Außenwelt hängen sie im Leeren<br />

wie Brücken ohne Pfeiler, man versteht sie nicht mehr. Man kann sie kaum individuieren, kaum<br />

klassifizieren, kaum beschreiben, nicht einmal vorstellen. Beweis: Schließen Sie die Augen <strong>und</strong><br />

stellen Sie sich einen grünen Apfel vor. Und nun schließen sie wieder die Augen <strong>und</strong> stellen sich<br />

die Vorstellung eines grünen Apfels vor. Was Sie sich vorgestellt haben, war verkehrt:<br />

(a) ein grüner Apfel,<br />

(b) ein Kopf, in dem ein grüner Apfel steckt,<br />

(c) ?<br />

(d) eine Mischung von (a) (c).<br />

Innere Objekte sind Artefakte, die im naiven Weltbild die Kluft zwischen erkennendem <strong>Subjekt</strong><br />

<strong>und</strong> erkennbaren äußeren Objekten überbrücken sollen.“ (Blau 1986: 5)

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