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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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4. Kapitel<br />

Fallibilität. Private Eigenschaften setzen dagegen will man diesbezüglich<br />

überhaupt von der Möglichkeit privater Illusionen <strong>und</strong> Erkenntnisse spre<br />

chen Descartes’ starke Annahme von der Selbsttransparenz des Bewußt<br />

seins, von einer starken Form inneren Wissens, voraus. Ähnliches gilt für<br />

den monologisierenden Gebrauch des Wortes „Ich“: Die Wurzel des ideali<br />

stischen Mißverständnisses liegt in der Unmöglichkeit monologisierender<br />

Fehlreferenz, die zu einem Fehlschluß durch einen ungerechtfertigten Ein<br />

satz des Existenzquantors führt. 44<br />

Wenn wir anhand öffentlicher Eigenschaften auf uns selbst Bezug neh<br />

men, dann setzen wir diese publiken Merkmale als Instrumente ein. Wir<br />

wollen in einem bestimmten Kontext eine Orientierung vollziehen, indem<br />

wir den Sprecher relativ zu einer bestimmten Beschreibungsebene loka<br />

lisieren. Zumeist ist dies ein sozialer Kontext, in dem aus rein pragmati<br />

schen Gründen eine Orientierung vorgenommen werden muß: Wenn Tho<br />

mas Nagel gefragt wird „Wem gehört der blaue Ford mit den Nummernschil<br />

dern aus New Jersey, der vor meiner Einfahrt steht?“, dann wird die<br />

Antwort, die er auf diese Frage gibt, wahr oder falsch gemacht durch ge<br />

wöhnliche Fakten. Diese Fakten befinden sich auf unproblematische <strong>und</strong><br />

triviale Weise in der Welt. Und sie werden normalerweise in sozialen Zu<br />

sammenhängen eingesetzt, um Lokalisierungen oder Identifikationen von<br />

Personen zu ermöglichen. In allen Fällen interpersoneller Kommunikation<br />

stellt die Äußerung von Sätzen des Typs „Ich bin TM“ keinerlei transzen<br />

dentales Mysterium dar. Der Versuch, solche interpersonellen Orientie<br />

rungsleistungen durch Selbstreferenz zu erbringen, kann jederzeit schei<br />

tern, wenn die fraglichen Sätze falsch sind.<br />

Vielen Autoren ist aufgefallen, daß Nagel Begriffe wie „Selbst“, „Ich“<br />

oder „Bewußtsein“ unscharf verwendet. Dies führt zu allerlei subtilen The<br />

menwechseln, manchmal jedoch auch zu Widersprüchen. So hat zum Bei<br />

spiel Norman Malcom darauf hingewiesen, daß wenn wir Nagel folgen<br />

<strong>und</strong> das Wesen von Bewußtsein sowie geistigen Zuständen nur im gemein<br />

samen Auftreten mit der durch den subjektiven point of view entstehenden<br />

Perspektive sehen das perspektivelose objektive Selbst zu einem „geistlo<br />

sen Ding“ würde, weil es sich in seinem Streben nach Objektivität so weit<br />

vom Standpunkt des psychologischen <strong>Subjekt</strong>s entfernt hätte, daß es nun<br />

seinerseits unter keinen mentalen Begriff mehr fallen würde. Das führt zu<br />

unangenehmen Fragen, wie etwa: „Wenn das objektive Selbst TN verlassen<br />

würde, würde TN dann das Bewußtsein verlieren?“, oder:„Wenn es stimmt,<br />

daß das Ich TNs ,Erlebnisse‘ empfängt 45 , wird dann dieselbe Erfahrung<br />

zweimal von zwei verschiedenen <strong>Subjekt</strong>en durchlebt?“ 46 Das Gr<strong>und</strong>di<br />

44 Auch Malcolm hat darauf hingewiesen, daß Nagel ausgehend von einer doppelten<br />

Referenz von „Ich“ mit dem objektiven Selbst ein nicht physisches Individuum erzeugt,<br />

weil er „Ich“ in beiden Fällen stillschweigend wie einen Designator behandelt <strong>und</strong> einsetzt.<br />

Wenn das so wäre, dann könnte aber auch der Satz „Ich bin Ich“ ein falscher Satz sein. Vgl.<br />

Malcolm 1988: 157, 160; dazu auch Anscombe 1981.<br />

45 Vgl. Nagel 1992 (1986): 111.<br />

46 Vgl. Malcolm 1988: 152f.

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