23.10.2012 Aufrufe

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

228<br />

4. Kapitel<br />

Dieses scheinbar essentielle Merkmal von menschlichen <strong>Subjekt</strong>en nun<br />

ist Nagels eigentliches Thema. Vielleicht kann man das von ihm angedeu<br />

tete Projekt als Rekonstruktion des Husserlschen transzendentalen Egos<br />

ohne den Hintergr<strong>und</strong> eines transzendentalen Idealismus beschreiben. 38<br />

Das von ihm postulierte objektive Selbst ist das letzte Stadium des sich von<br />

der Welt <strong>und</strong> seinen eigenen Bewußtseinsinhalten ablösenden <strong>Subjekt</strong>s,<br />

bevor es zu einem ausdehnungslosen Punkt zusammenschrumpft. Eventu<br />

ell könnte man es auch als eine auf der Grenze zwischen Naturalismus <strong>und</strong><br />

Essentialismus angesiedelte theoretische Entität beschreiben: Sie soll eine<br />

unserer dunkelsten <strong>und</strong> faszinierendsten psychologischen Eigenschaften<br />

erklären <strong>und</strong> ist dabei ständig in Gefahr, entweder in eine außerweltliche,<br />

transzendentale Leere abzugleiten oder sich in Form der Erlebnisperspekti<br />

ve einer besonderen, innerweltlichen Person zusammenzuziehen.<br />

Wie konstruiere ich aus der Person TM ein objektives Selbst? Ich tue es,<br />

indem ich alle meine psychischen Zustände ebenso wie meine öffentli<br />

chen Eigenschaften als Rohmaterial für die Erzeugung einer objektiven<br />

Projektion meiner selbst einsetze. Ich behandele Informationen, die mir<br />

normalerweise im Modus direkter Gegebenheit zur Verfügung zu stehen<br />

scheinen, wie indirekte Quellen externen Wissens. Ich bereichere die objek<br />

tive Welt um jene Eigenschaften <strong>und</strong> Zustände, die ich bis jetzt immer als<br />

meine Zustände bezeichnet habe, weil ich sie ab jetzt nur noch von außen<br />

betrachte. Indem ich dies tue, scheint etwas zu entstehen, das Philosophen<br />

traditionell fasziniert hat: ein reines, inhaltsloses Ich. Denn eine anspruchs<br />

volle Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität muß uns erklären können, ob es andere<br />

Formen der Selbstidentifikation gibt als durch öffentliche Eigenschaften,<br />

als durch sprachliche Bezugnahme auf die eigene Biographie. Kann es reine<br />

d. h. gehaltfreie Formen mentaler Selbstreferenz geben oder ist das<br />

inhaltslose Ich in Wirklichkeit nur eine Form von ichlosem Inhalt?<br />

38 Die zweite verwandte Position, auf die Nagel sich explizit bezieht, ist Wittgensteins<br />

metaphysisches <strong>Subjekt</strong> (TLP 5.641). Auch dieses <strong>Subjekt</strong> ist die logische Grenze einer Welt,<br />

Nagel möchte jedoch den mit ihm verknüpften Solipsismus <strong>und</strong> seine Transzendentalität<br />

eliminieren. Von Michael Gebauer habe ich gelernt, daß Nagel, insofern man seine Position<br />

als einen Typ von neutral monistischer Doppelaspekt Theorie interpretieren kann, viel dem<br />

Denken Baruch de Spinozas verdankt. In den prof<strong>und</strong>en unveröffentlichten Nachbemerkun<br />

gen zu seiner deutschen Übersetzung von Nagels View from Nowhere schreibt Gebauer bezüg<br />

lich der von mir im Text angedeuteten Verwandtschaft des Husserlschen mit dem Nagelschen<br />

Begriff des Selbstbewußtseins: „Bemerkenswert ist auch die buchstäbliche Affinität des § 11<br />

(„Das psychologische <strong>und</strong> das transzendentale Ich“) von Husserls Cartesianischen Meditationen<br />

zu dem hier bei Nagel in allen Kapiteln präsenten Gedanken von der Person als einem „Stück<br />

derWelt“inWittgensteinsSinne,...,zudemvomAutor...inAnspruchgenommenenGedan<br />

ken der „Teilung des Selbst“ in ein „interessiertes Ich“ <strong>und</strong> einen „anteilnahmslosen Zuschau<br />

er“. . . .scheint Nagel allerdings darauf hinzuweisen, daß es gerade keiner transzendental phä<br />

nomenologischen Reflexion bedarf, um den Aspekt des <strong>Subjekt</strong>s, den er hier im Gegensatz zur<br />

empirischen Person das „objektive Selbst“ nennt, von dieser Person zu abstrahieren, <strong>und</strong> dieser<br />

Hinweis ist wichtig, wenn Nagel auch im Kontext seines in einem ganz anderen Sinne nichtem<br />

pirischen <strong>Subjekt</strong>s jede Variante des Idealismus, auch die Wittgensteinsche einer singulären<br />

<strong>und</strong> überpersönlichen objektiven Weltseele als mit dem Bewußtsein seiner Individualität a priori<br />

unvereinbar ausschließen will.“ (Gebauer 1992: 15)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!