Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Fledermäuse, objektive Selbste <strong>und</strong> die Irreduzibilität der Innenperspektive 225<br />
wird durch den Blick von nirgendwo erzeugt, sie bringt eine vollkommene<br />
Relativierung von TM <strong>und</strong> eine Loslösung von seinem Standpunkt in der<br />
Welt mit sich. In dem Moment, in dem ich mich dann durch Selbstidentifi<br />
kation in meinem inneren Bild der Wirklichkeit selbst lokalisiere, verän<br />
dert sich dieses Bild eine phänomenale Zustandsveränderung tritt ein.<br />
Durch das Aussprechen des Satzes „Ich bin TM“ verändere ich somit<br />
psychologische Eigenschaften meiner selbst <strong>und</strong> transformiere gleichzeitig<br />
ein aperspektivisches inneres Bild der Welt in ein subjektzentriertes. Dieser<br />
Übergang ist dramatisch, das Staunen <strong>und</strong> die philosophische Analyse sind<br />
seiner mit Sicherheit wert. Ich werde darum im Schlußkapitel eine Antwort<br />
auf die Frage geben, was geschieht, wenn wir aus dem unendlichen Raum,<br />
den der View from Nowhere in uns öffnet, abstürzen in die Begrenzungen<br />
<strong>und</strong> Perspektivengeb<strong>und</strong>enheit eines partikularen psychologischen Sub<br />
jekts.<br />
An dieser Stelle scheint mir zunächst der Hinweis wichtig, daß das von<br />
Nagel vorsichtig entwickelte Problem nicht verkürzt werden sollte zu ei<br />
nem bloß semantischen Problem, zu einer Frage von Selbstreferenz oder<br />
der sprachlichen Logik von Eigennamen. Die analytischeBehandlungunse<br />
res sprachlichen Zugriffs auf die fraglichen mentalen Phänomene darf die<br />
Einsicht nicht unterschlagen, daß eine epistemische Asymmetrie verborgen<br />
ist hinter dem, was Manfred Frank als das „Prinzip der semantischen<br />
Symmetrie“ zwischen Selbst <strong>und</strong> Fremdzuschreibungen von Bewußtseins<br />
prädikaten bezeichnet hat. 33 Außerdem müssen wir versuchen, uns auf dem<br />
Weg über eine Naturalisierung den Phänomenen wieder anzunähern: Wir<br />
haben es bei dem Problem der <strong>Subjekt</strong>ivität mentaler Zustände mit einem<br />
interessanten <strong>und</strong> schlecht verstandenen psychischen Phänomen zu tun.<br />
Anscheinend gibt es unterschiedliche Weisen, in denen wir uns selbst intern<br />
repräsentieren können zumindest auf der Ebene intendierter Imagina<br />
tion. 34 Intendiertes Imaginieren ist genau wie Introspektion eines der<br />
33 Vgl. etwa Frank 1991: 33. Das, was uns an phänomenalem Selbstbewußtsein eigentlich<br />
interessiert, ist das präreflexive Element: Es kann nicht durch einen Sprachapriorismus oder<br />
durch aus dem intersubjektiven Raum heraus operierende Erklärungsversuche aufgefangen<br />
werden. In Franks Worten: „. . .wäre Selbstbewußtsein an die Sprachkompetenz geb<strong>und</strong>en (so,<br />
daß ich ›ich‹ nur erlernen könnte, wenn ich zuvor die Möglichkeit der Identifizierbarkeit aus der<br />
›er‹ Perspektive begriffen <strong>und</strong> die Konvertierbarkeit der Perspektiven verinnerlicht hätte), so<br />
würde meine unbedingte (cartesianische) Selbstvertrautheit gerade an eine Bedingung gebun<br />
den: sie hinge ab von der Verinnerlichung von Regeln, die mich als Inter <strong>Subjekt</strong> konstituierten,<br />
noch bevor ich Gelegenheit hatte, ein <strong>Subjekt</strong> zu sein. Die ganze Weisheit tradierter Einsichten<br />
in scheiternde Explikationsversuche von Selbstbewußtsein resümiert sich aber in der schlichten<br />
Sentenz, daß von Fremdem (<strong>und</strong> von Fremden) nie zu lernen ist, daß ich dieses (oder dieser)<br />
Fremde bin (wenn ich es nicht schon vorher wußte). Die Vorschaltung der ›er‹ Perspektive vor der<br />
›ich‹ Perspektive fügt den vielen Zirkeln in der Selbstbewußtseins Erklärung nur eine neue<br />
Variante hinzu.“ (Frank 1991: 36)<br />
34 Intendiertes Imaginieren ist ein Fall von mentaler Simulation (vgl. Abschnitt 2.1.2).<br />
Nagel unterscheidet häufig nicht zwischen dem View from Nowhere als einer absichtlich<br />
herbeigeführten inneren Simulation <strong>und</strong> als repräsentationalem Gesamtzustand (vgl. Ab<br />
schnitt 2.3.1), d. h. als Bewußtseinszustand. Letzterer wäre eine erlebnismäßig unhintergeh<br />
bare „mystische Erfahrung“, ersteres jedoch ist nicht mehr als ein philosophisches Gedanken<br />
experiment. Der Blick von nirgendwo ist eine wichtige Differenzierung also eine Operation