Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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224<br />
4. Kapitel<br />
Unter vielem anderen mag man an dieser Stelle einwenden, daß es sich<br />
hier um eine sprachliche Verhexung handelt. Nagel jedoch geht es nicht<br />
darum, ein Scheinproblem zu konstruieren <strong>und</strong> durch essentialistische In<br />
tuitionspumpen 29 zu plausibilisieren er mutet seinen Lesern zu, unter der<br />
sprachlichen Oberfläche ein reales Problem zu erkennen.<br />
Solche Fragen mögen dem Leser selbst dann lächerlich vorkommen, wenn er<br />
sie sich in bezug auf sich selbst stellt; ich versuche hier jedoch, ein geschärftes<br />
intuitives Problembewußtsein zu wecken <strong>und</strong> ihn davon zu überzeugen, daß<br />
auch dann etwas daran ist, wenn die sprachlicheDarstellungsform unvollkom<br />
men sein mag. Es mag Fälle geben, in welchen eine sprachliche Taschenspiele<br />
rei uns das Trugbild einer Frage vorgaukelt, wo in Wahrheit keine Frage be<br />
steht, aber dies ist kein solcher Fall. Wir können die Frage auch unabhängig<br />
von ihrem verbalen Ausdruck in unserem Denken wahrnehmen, <strong>und</strong> die<br />
Schwierigkeit besteht gerade darin, sie so zu stellen, daß sie nicht zu einer<br />
Oberflächlichkeit wird oder dazu einlädt, daß man sie nach Maßgabe ihrer<br />
verbalen Form beantwortet, ohne wirklich dem Problem unter der Oberfläche<br />
gerecht zu werden. In der Philosophie handelt es sich niemals bloß darum, wie<br />
wir uns ausdrücken sollen. 30<br />
Ich glaube, man kann Nagel konzedieren, daß er ein bedeutsames <strong>und</strong><br />
nicht triviales Problem umkreist. Vielleicht kann man die von ihm aufge<br />
worfenen Fragen als Ausdruck eines durch philosophische Introspektion<br />
ausgelösten Staunens über die Komplexität unserer eigenen inneren Natur<br />
auffassen. Die Selbstidentifikation mit einer historischen Person durch<br />
einen Sprechakt ist in der Tat ein erstaunlicher Vorgang vor allem des<br />
halb, so meine ich, weil er mit einer mentalenOperation verknüpft ist <strong>und</strong><br />
mit einer phänomenalen Zustandsänderung einhergeht. Dieser Vorgang<br />
wird um so erstaunlicher <strong>und</strong> geheimnisvoller, wenn wir ihn introspektiv<br />
zu beobachten versuchen. Wasgeschieht eigentlich in dem Moment, in dem<br />
ich sei es nun extern oder mental den Satz „Ich bin TM“ äußere?<br />
Introspektivbeobachtet, stellt die affirmativeÄußerung des Satzes „Ich bin<br />
TM“ ein mentales Ereignis dar: Etwas verändert sich in mir, sobald ich<br />
diesen Satz ausspreche. Bevor ich den kritischen Satz den Nagel auch als<br />
„philosophisch“ <strong>und</strong> „selbst lokalisierend“ bezeichnet denke oder spre<br />
che, repräsentiere ich die Welt von einem objektiven Standpunkt aus, ein<br />
schließlich aller psychologischen Eigenschaften <strong>und</strong> Perspektiven aller mir<br />
bekannten Personen im Universum. Alle denkbaren subjektiven Beschrei<br />
bungen meiner selbst <strong>und</strong> anderer Personen sind verobjektiviert worden,<br />
gewissermaßen aus dem Ich hinausgeschoben in eine Totalansicht der Welt<br />
sub specie aeternitatis. In dieser Totalansicht der Welt ist Thomas Metzin<br />
ger (höchstens) das, was Nagel treffend als „eine Person unter zahllosen<br />
anderen in Ozeanen von Raum <strong>und</strong> Zeit“ 31 oder als „momentanes Echozei<br />
chen auf dem kosmischen Bildschirm“ 32 bezeichnet. Diese Totalansicht<br />
29 Dieser Ausdruck stammt von Daniel Dennett. Vgl. etwa Dennett 1988.<br />
30 Vgl. Nagel 1992 (1986): 99.<br />
31 Vgl. Nagel 1986: 61.<br />
32 Vgl. Nagel 1986: 61