Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Fledermäuse, objektive Selbste <strong>und</strong> die Irreduzibilität der Innenperspektive 223<br />
betreffs des fraglichen Individuums zu sein <strong>und</strong> diese Wahrheit würde in<br />
einem wissenschaftlichen Weltbild fehlen <strong>und</strong> es so prinzipiell unvollstän<br />
dig machen. Zweitens vom <strong>Subjekt</strong> aus gefragt :Wieistesmöglich,daß<br />
ich nichts als diese individuelle Person mit ihren begrenzten Eigenschaf<br />
ten <strong>und</strong> ihrer zufälligen Biographie bin? Es scheint etwas in mir zu geben,<br />
das es mir unmöglich macht, die Aussage „Ich bin TM“ als eine Identitäts<br />
aussage zu lesen <strong>und</strong> zu verstehen. Mit anderen Worten: Es gibt ein essen<br />
tielles Moment in meinem Innenleben, das es mir nahelegt „Ich bin TM“<br />
als eine <strong>Subjekt</strong> Prädikat Proposition zu interpretieren. Dieses fragliche<br />
Moment macht es mir unmöglich, zu glauben, daß ich als denkendes <strong>und</strong><br />
fühlendes <strong>Subjekt</strong> aufgehen soll in einem Bündel zufälliger Eigenschaften.<br />
Mit diesem zweiten Frageaspekt beutet Thomas Nagel eine weitere Intui<br />
tion aus, die bei den meisten Menschen des westlichen Kulturkreises stark<br />
ausgeprägt ist <strong>und</strong> die ich ab jetzt die „Kontingenz Intuition“ nennen wer<br />
de: „Ich hätte auch ein(e) ganz andere(r) sein können.“ Viele von uns mei<br />
nen, daß sie als Personen auch ganz andere öffentliche Eigenschaften hät<br />
ten besitzen können <strong>und</strong> daß ein Teil von ihnen sich dabei nicht verändert<br />
hätte. Die Kontingenz Intuition verleiht uns das Gefühl, als gäbe es einen<br />
unveränderlichen Wesenskern in uns, dessen öffentliche Eigenschaften ei<br />
nem ständigen <strong>und</strong> mehr oder weniger akzidentiellen Wandel unterworfen<br />
sind. 28 Beim Übergang von einem objektiven in ein subjektives Weltbild<br />
erscheint uns die Identifikation mit einer bestimmten historischen Person<br />
dann als kontingentes Ereignis: Wir sind nicht notwendigerweise zu diesem<br />
oder jenem Individuum geworden. Und deswegen scheint uns, als sei eine<br />
wichtige <strong>und</strong> essentielle Wahrheit bezüglich unserer selbst mit einer sol<br />
chen quasi empirischen Identitätsaussage niemals auch nur tangiert.<br />
Eine perspektivelose <strong>und</strong> objektive Repräsentation der Welt, der sich in<br />
ihr befindenden Personen <strong>und</strong> ihres Mentallebens wie sie vielleicht eine<br />
an ihr historisches Ende gekommene Wissenschaft darstellen könnte läßt<br />
immereinewichtigeWahrheitübereine der unzähligen Personen aus, sagt<br />
Nagel. Es ist die Wahrheit, daß diese Person der locus meinesBewußtseins<br />
<strong>und</strong> der Mittelpunkt meiner Welt ist. Diese Wahrheit, ausgedrückt in der<br />
ersten Person Singular, spiegelt eine Tatsache wider. Es gibt irreduzible<br />
Erste Person Fakten, sie können nur durch den selbst lokalisierenden Ge<br />
danken oder Satz „Ich bin TM“ ausgedrückt werden <strong>und</strong> es hat den An<br />
schein, als ob diese Fakten sich nicht in der Welt befänden.<br />
28 Diese Intuition liegt natürlich auch vielen zentralen Denkfiguren der klassischen, speku<br />
lativ idealistischen <strong>Subjekt</strong>philosophie zugr<strong>und</strong>e. Manfred Frank schreibt: „Nagel bringt ei<br />
nige Gr<strong>und</strong>intuitionen der frühidealistischen deutschen Philosophie in Erinnerung <strong>und</strong> in Gel<br />
tung, z. B. Fichtes (etwas umformuliertes) Problem, daß es keine von zeichenreflexiven<br />
Ausdrücken (wie ›hier‹, ›jetzt‹, ›ich‹) freie Beschreibung gibt, aus der erhellt, daß ich diese<br />
Person bin. Das führt zu einer Rehabilitierung des Gewißheitselements, in dem mir <strong>und</strong> nur mir<br />
meine mentalen Erlebnisse zugänglich sind, <strong>und</strong> zur Feststellung einer unüberwindlichen ›epi<br />
stemischen Asymmetrie‹ zwischen Beschreibungen meiner durch mich selbst <strong>und</strong> solchen mei<br />
ner durch andere.“ (Frank 1991: 177)