Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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220<br />
4. Kapitel<br />
alle physische Information 24 über den visuellen Cortex, die Stimulation der<br />
Netzhaut durch verschiedene Kombinationen von Wellenlängen, die korti<br />
kale Entstehung von sich auf Farberlebnisse beziehenden Sprechakten usw.<br />
angeeignet. Was geschieht nun, wenn Mary erstmals ihr achromatisches<br />
Gefängnis verläßt <strong>und</strong> eine rote Tomate oder den blauen Himmel sieht?<br />
Erfährt sie etwas Neues über die Welt <strong>und</strong> unsere visuelle Wahrnehmung<br />
derselben?<br />
Die Konklusion des Knowledge Arguments beruht darauf, daß Mary in<br />
der Tat etwas über die Welt <strong>und</strong> die inneren Zustände anderer Menschen<br />
erfährt, das sie vorher nicht wissen konnte. Ex hypothesi besaß Mary je<br />
doch ein komplettes physikalisches Wissen über ihre Mitmenschen <strong>und</strong><br />
deren Farberlebnisse. Darum muß der Physikalismus falsch sein: Es gibt<br />
Eigenschaften mentaler Zustände, denen gegenüber eine physikalische Be<br />
schreibung der Welt indifferent bleiben muß. Daraus folgt für Jackson<br />
ebenfalls, daß Qualia bestenfalls Nebenprodukte der Evolution unserer<br />
Nervensysteme darstellen, welche keinerlei abwärtsgerichtete kausale<br />
Wirksamkeit besitzen <strong>und</strong> irrelevant für wissenschaftliche Verhaltenserklä<br />
rungen sind. Und deshalb wäre es auch falsch, zu meinen, es wäre die<br />
Schmerzhaftigkeit von Schmerzen, die uns etwa unsere Hand von einer<br />
heißen Herdplatte zurückziehen läßt zu dieser Annahme kommen wir<br />
nur, weil wir biologische Systeme mit einem relativ niedrigen Grad interner<br />
Selbstrepräsentation sind. Jackson schreibt:<br />
We are the products of Evolution. We <strong>und</strong>erstand and sense what we need to<br />
<strong>und</strong>erstand and sense in order to survive. Epiphenomenal Qualia are totally<br />
irrelevant to survival. At no stage of our evolution did natural selection favor<br />
those who could make sense of how they are caused and the laws governing<br />
them,orinfactwhytheyexistatall.Andthatiswhywecan’t. 25<br />
Das Knowledge Argument krankt natürlich an einer klaren Äquivokation<br />
von „Wissen“ (<strong>und</strong> ist auch unter diesem Gesichtspunkt kritisiert worden),<br />
weil propositionales Wissen durch die Sätze wissenschaftlicher Theorien<br />
etwas vollkommen anderes ist als nicht diskursives Wissen durch spezielle<br />
Formen interner Darstellung in menschlichen Gehirnen. Es lenkt aber un<br />
sere Aufmerksamkeit auf die Frage der Epistemizität subjektiver Zustände<br />
<strong>und</strong> ermöglicht uns, genauer zu diskutieren, welche Art von Information<br />
24 MarybesitzteineengeVerwandte,nämlichJeffFoss’Super Neuro Scientist (SNS). In<br />
einem gegen Nagel gerichteten Gedankenexperiment versucht Foss zu demonstrieren, daß<br />
sowohl die SNS als auch ihr fiktiver Rivale, der SS (= Super Sympathist, ein Wesen mit<br />
maximalen empathischen Fähigkeiten, daß dank seiner psychischen Plastizität jedes andere<br />
bewußte Wesen phänomenal emulieren kann) die inneren Erfahrungen des Autorsgenausogut<br />
zu beschreiben vermag, wie er selbst durch die Voraussage von Sprechakten oder durch<br />
qualitatives Einfühlen (vgl. Foss 1987). Foss schreibt: „Itcannotbeshown(oratleastremains<br />
to be shown) that there is anything of epistemic interest, whether information, ability, or a<br />
special species of knowledge, which SS has and SNS has not, and which is either implied by the<br />
hypothesised differences between them, or analytically contained in the hypothesis.“(Foss 1987:<br />
217)<br />
25 Vgl. Jackson 1982: 134.