Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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4. Kapitel<br />
sowohl den Vorgang der Introspektion wie auch die innere Wirklichkeit des<br />
Philosophen schrittweise <strong>und</strong> unausbleiblich verändert. Und was gibt es<br />
Schlimmeres als Philosophie, durch die wir uns nicht mehr verändern?<br />
Die Anerkennung der mentalen Qualität „<strong>Subjekt</strong>ivität“ führt sämtliche<br />
seit Ryle entwickelten Formen des Physikalismus <strong>und</strong> des Funktionalismus<br />
in Aporien. Für die Identitätstheorie läßt sich nicht mehr zeigen, wie mein<br />
Besitzen eines bestimmten psychologischen Attributs identisch sein soll<br />
mit dem Besitzen eines solchen Attributs durch eine wie auch immer natur<br />
wissenschaftlich zu beschreibende Substanz. 8 Die Eliminationsvarianten 9<br />
der Theorie kommen in größte Schwierigkeiten, was den Begriff der Wis<br />
senschaft als eines von rationalen <strong>Subjekt</strong>en betriebenen Unternehmens<br />
angeht <strong>und</strong> funktionale Analysen sind notorisch resistent gegen Qualia <strong>und</strong><br />
<strong>Subjekt</strong>ivität: Etwas könnte eine perfekte funktionale Simulation von mir<br />
oder einem meiner Leser sein, ohne daß es irgendwie wäre,diesesSystemzu<br />
sein. Denn es könnte ein System geben, das sich in genau denselben Input<br />
Output Relationen befindet wie ich, <strong>und</strong> das auch was die interne Vernet<br />
zung funktional spezifizierter Ereignisse angeht mit mir identisch ist.<br />
Trotzdem wäre es möglich, daß ein solcher funktional isomorpher<br />
Doppelgänger keine Erlebnisse hat. 10 Diese Resistenz der subjektiven Er<br />
lebnisperspektive gegen monistisch motivierte Analysen macht sie philoso<br />
phisch interessant <strong>und</strong> man muß es als Verdienst Nagels werten, sie als<br />
wichtige Problemvariante in der neueren Philosophie des Geistes etabliert<br />
zu haben.<br />
Welche Methoden stehen uns zur Verfügung, um zu entscheiden, ob das<br />
hier diskutierte Kriterium für die Zuschreibung von Bewußtsein für ein<br />
beliebiges System erfüllt ist? Der erste Kandidat scheint eine Art „empathi<br />
scher Imagination“ zu sein: Wir könnten versuchen, uns auf der Ebene der<br />
Vorstellung in eine Fledermaus, einen Marsmenschen oder einen Groß<br />
rechner einzufühlen. Einer solchen „phänomenalen Emulation“ sind durch<br />
unsere eigene biologische Struktur jedoch enge Grenzen gesetzt, nämlich in<br />
Gestalt der funktionalen Architektur unserer Nervensysteme, die nur sehr<br />
stark eingeschränkte Quellen <strong>und</strong> Mechanismen der Verarbeitung von In<br />
formation zur Verfügung stellt um die psychische Simulation eines anderen<br />
geistigen Wesens durchzuführen. Über Phantasie <strong>und</strong> Vorstellung als<br />
8 Vgl. Nagel in Bieri 1981: 68.<br />
9 Die kanonischen Texte sind Churchland 1979, 1981, Feyerabend 1981(1970), Rorty<br />
1981a(1965), 1981b(1970), 1981c(1979). Weitere Literaturangaben zur Entwicklung des eli<br />
minativen Materialismus finden sich in Bieri 1981 <strong>und</strong> Lycan 1990.<br />
10 Die zwei wichtigsten Versuche, die Intuition zu explizieren, daß es für jedes System mit<br />
physikalischen, funktionalen <strong>und</strong> phänomenalen Eigenschaften einen „bewußtlosen Doppel<br />
gänger“ geben könnte, der dieselben physischen <strong>und</strong> funktionalen Merkmale besitzt ohne<br />
phänomenale Eigenschaften zu instantiieren, sind das Absent Qualia Argument (Block 1980,<br />
Block ⁄ Fodor 1972; dazu auch Churchland 1981 <strong>und</strong> Dennett 1979, 1981, Shoemaker 1981c)<br />
<strong>und</strong> das Modal Argument (Campbell 1970, Kirk 1974; die Repliken von Locke 1976, Lycan<br />
1979, Shoemaker 1975; ferner Churchland 1981, 1985, Jackson 1982, Maloney 1985).