Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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212<br />
4. Kapitel<br />
oder qualitativen Gehalt besitzen. Die neue Formel für diese Tatsache, die<br />
Nagel uns anbietet, lautet: Es ist irgendwie 6 , das <strong>Subjekt</strong> dieser mentalen<br />
Zustände zu sein. Das heißt: Für jedes System mit internen Zuständen, die<br />
einen phänomenalen Gehalt besitzen, scheint es eine private Qualität zu<br />
geben, die eines der interessantesten Merkmale dieser inneren Zustände ist.<br />
Diese Qualität besteht darin, daß es irgendwie ist,sichindiesenZuständen<br />
zu befinden beziehungsweise: dieses System zu sein.<br />
Intuitiv erscheint diese Charakterisierung mentaler Zustände über ihren<br />
phänomenalen Gehalt augenblicklich einleuchtend. Denn wenn wir uns<br />
fragen, ob ein bestimmtes biologisches oder künstliches System ein menta<br />
les Innenleben besitzt, meinen wir immer genau dies: Fühlt es sich irgend<br />
wie an, dieses System zu sein? Gibt es in diesem System eine Instanz, die<br />
einen unvermittelten Zugang zu einer Teilmenge seiner internen Zustände<br />
hat? Gibt es eine Instanz, die auf direkte Art <strong>und</strong> Weise erlebt, wie es ist,<br />
eben jenes System zu sein? „Wie es ist“ faßt den qualitativen Gehalt aller<br />
aktuellen, bewußten mentalen Zustände eines Systems zusammen <strong>und</strong><br />
nimmt dabei bezug auf eine vorsprachliche Gegebenheit unseres psychi<br />
schen Lebens, die jedem von uns zuerst einmal prätheoretisch einsichtig ist.<br />
Uns allen ist gemeinsam, daß es irgendwie für uns ist, wir selbst zu sein. Wie<br />
immer eine zukünftige Theorie des Geistes aussehen mag, sie wird nichts<br />
daran ändern, daß es irgendwie ist, sich in den von ihr auf eine neue Weise<br />
beschriebenen geistigen Zuständen zu befinden <strong>und</strong> jede zukünftige<br />
Theorie des Geistes wird eine gute Erklärung für das Zustandekommen<br />
dieses zentralen Charakteristikums mentaler Phänomene anbieten müssen,<br />
wenn sie uns überzeugen will.<br />
Betrachtet man diese erste rudimentäre Entfaltung des Problems, so sieht<br />
man,wiewenigNagelsAngebotdes„Wieesist,einXzusein“beieiner<br />
Beantwortung der zentralen Fragen hilft: In der Analyse führt es nicht<br />
weiter. Es leistet aber die deutliche Benennung des psychologischen<br />
Aspekts eines Problems, über das sich seit Descartes viele Philosophen den<br />
6 Um philosophiegeschichtlich genau zu sein, muß man darauf hinweisen, daß diese For<br />
mulierung zuerst von B.A. Farrell eingesetzt wurde. Farrell diskutierte in einem Aufsatz in der<br />
Zeitschrift Mind nicht nur die „raw feels“von Marsmenschen <strong>und</strong> Robotern, sondern benutzt<br />
auch bereits das erst durch Nagel berühmt gewordene Beispiel der Fledermaus (vgl. Farrell<br />
1950: 183). Interessant an seinen sprachanalytischen Untersuchungen des Begriffs „experien<br />
ce“ ist zudem die Tatsache, daß in ihnen bereits klassische Argumentationsfiguren derjenigen<br />
Variante der Identitätstheorie entwickelt werden, die später als „eliminativer Materialismus“<br />
einen großen Bekanntheitsgrad erreichte. Auch hier zeigt sich eine enge Verwandschaft mit<br />
späteren Positionen (etwa von Rorty oder Churchland), die bis in die verwendeten Beispiele<br />
hinein reicht: „If the relevant sciences go on developing in this direction, and if Western societies<br />
assimilate their work, than [sic] it is quite possible that the notion of „experience“ will be<br />
generally discarded as delusive. If and when this happens, our present philosophical difficulties<br />
about it will disappear. But it is just because we are in conflict, and perhaps transition, about the<br />
notion that we cannot either accept or reject it at present without absurdity or falsehood. In these<br />
respects, the notion of „experience“ can be shown to resemble an occult notion like „witchcraft“<br />
in a primitive community that is in the process of being acculturated to the West.“(Farrell 1950:<br />
195)