Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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208 3. Kapitel Eine der Schwierigkeiten für die Präzisierung von SMT liegt in der Tatsache begründet, daß die anvisierte psychologische Eigenschaft derart komplex ist, daß es keine Hoffnung auf auch nur annähernd vollständige und überzeugende Instantiierungserklärungen 113 für diese Eigenschaft in der nahen Zukunft gibt. Selbstmodellierung ist ein sehr umfassender Vor gang, der wahrscheinlich auf fast alle repräsentationalen Ressourcen des menschlichen Gehirns zugreift. Deshalb ist das mit seiner Aufklärung be faßte empirische Projekt ein wesentlich umfangreicheres als etwa eines, das nur eine gewisse eng umgrenzte Teilmenge mentaler Modelle (zum Beispiel Farbwahrnehmungen oder Gefühle) untersucht. Es ist ebenfalls klar, daß empirische Anreicherungen des Terms „Selbstmodell“ diesen zum Gegen stand weitreichender begrifflicher Revisionen machen können das ist ja gerade seine Stärke. Die Selbstmodell Hypothese sagt nichts über logische, grammatische oder sozial konstituierte 114 Subjektivität, weil sie ausschließlich über eine psychologische Eigenschaft spricht. Allerdings geht mit ihr die These ein her, daß für alle Zwecke einer theoretischen Psychologie das „Subjekt“ oder das „Ich“ als Erklärungsbegriff durch den des „Selbstmodells“ substituiert werden kann: Alle problematischen Phänomene des Selbstbewußtseins können ohne einen Verlust an Erklärungs und Beschreibungspotential auf der repräsentationalen Ebene aufgefangen werden. Psychologie ist somit Selbstmodellforschung; eine Wissenschaft, die sich mit dem repräsentatio nalen Gehalt, den funktionalen Eigenschaften und der physikalischen Rea lisierung einer besonderen Klasse von Datenstrukturen auseinanderzuset zen hat. Diese begriffliche Ansiedelung unseres Selbstbewußtseins auf der Ebene einer „phänomenalen Informatik“ soll eine neue Beschreibungs ebene öffnen, aber nicht eine neurobiologische Reduktion unseres Innenle bens vorbereiten. Im Gegenteil: Eine empirisch verankerbare naturalisti sche Terminologie erweitert die Möglichkeiten menschlicher Selbster kenntnis und Selbstbeschreibung. Denn der Begriff des „Selbstmodells“ besitzt keine metaphysischen Konnotationen und vermeidet all jene noto rischen Äquivokationen, die allein dadurch entstehen, daß der metaphysi sche Subjektbegriff in der Geistesgeschichte des Abendlandes eine so unge mein dominante Rolle gespielt hat. Es wird sich zeigen müssen, welche philosophische Potenz die nicht psychologischen Elemente des klassischen Subjektbegriffs besitzen, wenn eine Verquickung der traditionellen seman tischen Elemente mit der Frage phänomenalen Selbstbewußtseins nicht mehr gelingt: Kann das transzendentale Subjekt ohne das empirische Ich überleben? 115 Soweit die ersten Erläuterungen zu SMT und ihrer Rolle in einer natura listischen Theorie des Geistes. In den nächsten beiden Kapiteln werde ich 113 Vgl. Cummins 1983, Eimer 1990. 114 Allerdings haben eine Reihe von Autoren vermutet, daß Selbstmodelle durch die reprä sentationale Internalisierung sozialer Aktivitäten entstehen. Vgl. hierzu Oatley 1988. 115 Vgl. dazu auch Horstmann 1990.
Die Selbstmodell Theorie der Subjektivität 209 auf der Grundlage dieser Hypothese und der Überlegungen, die uns in den vorangegangenen Kapiteln zu ihr geführt haben, Antworten auf die am Ende des ersten Kapitels formulierten Fragen zu geben versuchen. Diese Antworten werden zu einer weiteren Verdeutlichung des Gedankens füh ren. Im weiteren Verlauf werde ich nun auch einige Einwände diskutieren, um auf diese Weise noch verbliebene Unklarheiten auszuräumen. Zunächst jedoch möchte ich prominente Beiträge aus der analytischen Gegenwarts philosophie einsetzen, um zusätzliche Perspektiven auf die philosophische ProblematikzueröffnenundunserBildderdurchsiegebildetentheoreti schen Landschaft ein weiteres Mal anzureichern und zu differenzieren.
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Eine der Schwierigkeiten für die Präzisierung von SMT liegt in der<br />
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komplex ist, daß es keine Hoffnung auf auch nur annähernd vollständige<br />
<strong>und</strong> überzeugende Instantiierungserklärungen 113 für diese Eigenschaft in<br />
der nahen Zukunft gibt. <strong>Selbstmodell</strong>ierung ist ein sehr umfassender Vor<br />
gang, der wahrscheinlich auf fast alle repräsentationalen Ressourcen des<br />
menschlichen Gehirns zugreift. Deshalb ist das mit seiner Aufklärung be<br />
faßte empirische Projekt ein wesentlich umfangreicheres als etwa eines, das<br />
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Farbwahrnehmungen oder Gefühle) untersucht. Es ist ebenfalls klar, daß<br />
empirische Anreicherungen des Terms „<strong>Selbstmodell</strong>“ diesen zum Gegen<br />
stand weitreichender begrifflicher Revisionen machen können das ist ja<br />
gerade seine Stärke.<br />
Die <strong>Selbstmodell</strong> Hypothese sagt nichts über logische, grammatische<br />
oder sozial konstituierte 114 <strong>Subjekt</strong>ivität, weil sie ausschließlich über eine<br />
psychologische Eigenschaft spricht. Allerdings geht mit ihr die These ein<br />
her, daß für alle Zwecke einer theoretischen Psychologie das „<strong>Subjekt</strong>“ oder<br />
das „Ich“ als Erklärungsbegriff durch den des „<strong>Selbstmodell</strong>s“ substituiert<br />
werden kann: Alle problematischen Phänomene des Selbstbewußtseins<br />
können ohne einen Verlust an Erklärungs <strong>und</strong> Beschreibungspotential auf<br />
der repräsentationalen Ebene aufgefangen werden. Psychologie ist somit<br />
<strong>Selbstmodell</strong>forschung; eine Wissenschaft, die sich mit dem repräsentatio<br />
nalen Gehalt, den funktionalen Eigenschaften <strong>und</strong> der physikalischen Rea<br />
lisierung einer besonderen Klasse von Datenstrukturen auseinanderzuset<br />
zen hat. Diese begriffliche Ansiedelung unseres Selbstbewußtseins auf der<br />
Ebene einer „phänomenalen Informatik“ soll eine neue Beschreibungs<br />
ebene öffnen, aber nicht eine neurobiologische Reduktion unseres Innenle<br />
bens vorbereiten. Im Gegenteil: Eine empirisch verankerbare naturalisti<br />
sche Terminologie erweitert die Möglichkeiten menschlicher Selbster<br />
kenntnis <strong>und</strong> Selbstbeschreibung. Denn der Begriff des „<strong>Selbstmodell</strong>s“<br />
besitzt keine metaphysischen Konnotationen <strong>und</strong> vermeidet all jene noto<br />
rischen Äquivokationen, die allein dadurch entstehen, daß der metaphysi<br />
sche <strong>Subjekt</strong>begriff in der Geistesgeschichte des Abendlandes eine so unge<br />
mein dominante Rolle gespielt hat. Es wird sich zeigen müssen, welche<br />
philosophische Potenz die nicht psychologischen Elemente des klassischen<br />
<strong>Subjekt</strong>begriffs besitzen, wenn eine Verquickung der traditionellen seman<br />
tischen Elemente mit der Frage phänomenalen Selbstbewußtseins nicht<br />
mehr gelingt: Kann das transzendentale <strong>Subjekt</strong> ohne das empirische Ich<br />
überleben? 115<br />
Soweit die ersten Erläuterungen zu SMT <strong>und</strong> ihrer Rolle in einer natura<br />
listischen Theorie des Geistes. In den nächsten beiden Kapiteln werde ich<br />
113 Vgl. Cummins 1983, Eimer 1990.<br />
114 Allerdings haben eine Reihe von Autoren vermutet, daß <strong>Selbstmodell</strong>e durch die reprä<br />
sentationale Internalisierung sozialer Aktivitäten entstehen. Vgl. hierzu Oatley 1988.<br />
115 Vgl. dazu auch Horstmann 1990.