Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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206<br />
3. Kapitel<br />
genau diejenigen Personenzustände oder Systemzustände aus, aufgr<strong>und</strong><br />
deren Besitz wir eine Person oder ein System als psychologisches <strong>Subjekt</strong><br />
charakterisieren.<br />
„Komplexe informationsverarbeitende Systeme“ sind diejenige Klasse<br />
physischer Systeme, die prinzipiell durch interne <strong>Selbstmodell</strong>ierung in<br />
der Lage sind, die fragliche psychologische Eigenschaft zu instantiieren.<br />
Komplex müssen diese Systeme sein, weil es mit Sicherheit starke, physika<br />
lisch oder biologisch zu beschreibende Randbedingungen („bottom up con<br />
straints“) für die Erzeugung eines stabilen <strong>Selbstmodell</strong>s gibt. Man muß<br />
davon ausgehen, daß die (noch zu leistende) Beschreibung des notwendigen<br />
Ausmaßes an physischer Komplexität sehr umfangreich sein wird. Das<br />
bedeutet nicht, daß diese Komplexität selbst in irgendeinem Sinne als<br />
Explanans für das Entstehen der fraglichen psychologischen Eigenschaft<br />
geltend gemacht werden soll.<br />
Sollte sich zeigen, daß Selbstbewußtsein ein „emergentes“ 109 Phäno<br />
men ist, das in Systemen auch ohne interne <strong>Selbstmodell</strong>ierung einfach ab<br />
einem gewissen kritischen Niveau struktureller oder funktionaler Komple<br />
xität auftritt, dann ist SMT falsifiziert. Dasselbe gilt, wenn es sich heraus<br />
stellt, daß es nicht die Eigenschaften der Informationsverarbeitung <strong>und</strong><br />
internen Repräsentation sind, die physische Systeme besitzen müssen, um<br />
<strong>Subjekt</strong>ivität zu instantiieren. 110 Sollten die für wissenschaftliche Erklärun<br />
gen von Selbstbewußtsein interessanten Eigenschaften physikalischer Sy<br />
steme einen anderen explanatorischen Set (eine andere Supervenienz Ba<br />
sis Familie) bilden als den hier immer schon vorausgesetzten, dann ist<br />
SMT ebenfalls falsifiziert.<br />
Die durch SMT vorgenommene Auszeichnung einer Klasse von Syste<br />
men ist indifferent gegenüber der Unterscheidung zwischen künstlichen<br />
<strong>und</strong> natürlichen 111 Systemen. Sollte sich zeigen lassen, daß prinzipiell nur<br />
biologische Systeme in einem interessanten Sinn <strong>Selbstmodell</strong>besitzer sein<br />
können, dann können auch nur solche Systeme psychologische <strong>Subjekt</strong>ivi<br />
tät instantiieren. Die Entscheidung bezüglich dieser Frage hängt essentiell<br />
von der zugr<strong>und</strong>e gelegten Theorie der Intentionalität ab, speziell von<br />
unserer Antwort auf die Frage, wie stark phänomenaler Gehalt mit inten<br />
tionalem Gehalt verknüpft ist. Ein anderer wichtiger Punkt ist in diesem<br />
109 Eine solche Entdeckung wäre erst dann möglich, wenn wir eine überzeugende wissen<br />
schaftstheoretische Konzeption emergenter Verursachung besäßen; vgl. Kapitel 2, Fußnote<br />
111.<br />
110 Das betrifft die falliblen Hintergr<strong>und</strong>annahmen einer naturalistischen Theorie des<br />
Geistes als einer Theorie von Repräsentationssystemen, die ich in dieser Arbeit einfach vor<br />
ausgesetzt habe. Natürlich könnten letztlich auch ganz andere Ansätze zielführend sein als der<br />
der Informatik <strong>und</strong> Repräsentationstheorie. Vgl. etwa Edelman 1987 für eine populationstheo<br />
retische Analyse der Genese höherer kognitiver Funktionen beim Menschen. Die These, daß<br />
Gehirne keine informationsverarbeitenden Systeme sind, vertritt Searle 1992: 222ff.<br />
111 Ich gehe hier der Einfachheit halber davon aus, daß die künstlich ⁄ natürlich Unterschei<br />
dung exklusiv <strong>und</strong> erschöpfend ist. Neue Entwicklungen in der hybriden Biorobotik zeigen<br />
allerdings, das dies nicht der Fall ist.