Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 203<br />
Sinne eines personalen Eingriffs in die neuronale Maschinerie diesem theo<br />
retischen Modell zufolge nicht gibt, ist es vielmehr das Gehirn,welchesdas<br />
luzide <strong>Subjekt</strong> konstruiert. Aufgr<strong>und</strong> veränderter Randbedingungen ist das<br />
System in der Lage, eine wesentlich reichere Selbstrepräsentation zu erzeu<br />
gen <strong>und</strong> kann so eine Kontinuität zu früheren Zuständen erkennen. Damit<br />
istesauchinderLage,sichselbstals jetzt gerade in einem bestimmten<br />
Zustand befindliches zu repräsentieren. Was sich also im Moment des Luzi<br />
dewerdens auf dramatische Weise verändert, ist das vom Gehirn aktivierte<br />
<strong>Selbstmodell</strong>.<br />
Klarträumer können bestätigen, daß dieses Zu sich Kommen auch auf<br />
der Erlebnisebene sehr stark dem Sich erinnern an längst vergessene <strong>und</strong><br />
äußerst wichtige Informationen gleicht. Das darf als ein starkes Indiz für<br />
die Bedeutung der Gedächtnisfunktionen für das Zustandekommen von<br />
Luzidität gelten. Träumende informationsverarbeitende Systeme befinden<br />
sich in einem sehr seltsamen <strong>und</strong> für sie problematischen Zustand: Bei<br />
einer weitgehenden Input Blockade (begleitet von einer Lähmung der Ef<br />
fektoren, die es ihnen vorübergehend unmöglich macht, diese Blockade<br />
durch reafferente Signale wieder aufzuheben; also: sich zu wecken) sind sie<br />
plötzlich mit einer internen Signalquelle konfrontiert. 105 Stehen dem Sy<br />
stem die normalen Lern <strong>und</strong> Erinnerungsfunktionen nicht zur Verfügung,<br />
so entstehen aus dem verzweifelten Versuch, das weitgehend chaotische<br />
Signalgewitter zu einem internen Modell der Wirklichkeit zu verarbeiten,<br />
bizarre mentale Episoden die nicht erinnert werden können. Ändern sich<br />
die physischen Randbedingungen, dann gewinnt das träumende System<br />
genau in dem Masse, in dem wieder gespeicherte Information verwendet<br />
werden kann, die Fähigkeit, diese inneren Ereignisse anhand vergangener<br />
Erlebnisse zu interpretieren <strong>und</strong> ein <strong>Selbstmodell</strong> zu erzeugen. Wenn es ein<br />
<strong>Selbstmodell</strong> gibt, werden manche der internen Zustände zu meinen Zu<br />
ständen <strong>und</strong> die psychische Qualität subjektiven Erlebens tritt auf. Zu<br />
standsklarheit im Sinne von Luzidität erfordert eine zusätzliche Repräsen<br />
tation der „inneren Geschichte“ des Systems, die Fähigkeit, einen repräsen<br />
tationalen Gesamtzustand im Lichte früherer repräsentationaler Gesamt<br />
zustände als einen solchen zu erkennen. 106 Genau diese metakognitive<br />
Leistung kann nur durch die Erzeugung eines stabilen <strong>Selbstmodell</strong>s er<br />
bracht werden.<br />
Ich hoffe, daß meine Leser durch diese knappe Schilderung einiger Fall<br />
beispiele einen Eindruck davon gewonnen haben, wie abweichende For<br />
men von mentaler <strong>Selbstmodell</strong>ierung beim Menschen zu veränderten Zu<br />
ständen phänomenalen Bewußtseins führen können. Manche der so<br />
entstehenden subjektiven Realitäten können aus der Perspektive des Erle<br />
105 Wie ich bereits im vorangegangenen Kapitel gesagt habe, könnten dies die sogenannten<br />
PGO Wellen aus dem Hirnstamm sein; vgl. Hobson 1987.<br />
106 Eine eng verwandte Theorie über das Entstehen luzider Träume vertritt SueBlackmore,<br />
von der ich in persönlichen Gesprächen viel gelernt habe. Vgl. Blackmore 1982b, 1985,<br />
1988.