Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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Die <strong>Selbstmodell</strong> Theorie der <strong>Subjekt</strong>ivität 201<br />
nicht luziden Traum die Qualität des „Wie es ist, ein X zu sein“ auf; mit<br />
anderen Worten: Ist es irgendwie, nichtluzide zu träumen oder kann man<br />
nur sagen, daß es irgendwie ist, Erinnerungen an einen nicht luziden Traum<br />
zu haben? Da Träume private Ereignisse sind, sind wir zur Beantwortung<br />
auf die Berichte von Träumern angewiesen. Es ist aber logisch unmöglich,<br />
daß ein Träumer diese Frage untersucht oder beantwortet, ohne seinen<br />
Bewußtseinszustand zu transformieren: Entweder er wacht auf oder er wird<br />
zum Klarträumer.<br />
Wasabersinddannnormale,nichtluzide Träume? Ihr epistemischer<br />
Gehalt scheint gegen Null zu gehen zumindest was die aktuelle Umwelt<br />
des träumenden Systems angeht. Als ein zweiter Typ von Wirklichkeitsmo<br />
dell, der durch einen eigenen Set physiologischer Korrelate charakterisiert<br />
ist, scheinen sie nur sehr schwach durch externen Input, das heißt: durch<br />
den Informationsfluß aus den Sinnesmodulen, in ihrem Gehalt determi<br />
niert zu sein. Wenn auch Träume abstrakte Instrumente des Organismus<br />
sind, welche Funktion haben sie dann inne? Einige prominente Philoso<br />
phen 97 haben die Auffassung vertreten, daß Träume weder Funktion noch<br />
Bedeutung besitzen <strong>und</strong> eine Reihe empirischer Forscher halten den Traum<br />
entweder für das Resultat von Zufallsprozessen auf der neurophysiologi<br />
schen Ebene 98 oder auch für eine neurologisch zu beschreibende Fehlanpas<br />
sung. 99 Andererseits liefert ein so komplexes psychisches Phänomen wie<br />
der Traum das perfekte Rohmaterial für nicht überprüfbare Interpretatio<br />
nen jeder Art (seien es nun die Homunkuli der Psychoanalyse oder die<br />
Jenseitswelten esoterischer Geheimlehren) <strong>und</strong> bietet sich deswegen für<br />
ideologischen Mißbrauch an. Wenn sich über die Funktion des Traumzu<br />
standes für den Organismus derzeit nichtsgenaues sagen läßt,gilt dies wohl<br />
vorläufig auch für den Klartraum. 100 Jedoch kann man im Sinne einer<br />
meta phänomenologischen Analyse fragen: Was genau verändert sich in<br />
der Struktur des vom Gehirn errechneten Realitätsmodells, wenn aus ei<br />
nem nicht luziden Traum ein Klartraum wird?<br />
Beginnen wir mit dem, was sich nicht verändert: Das Modell der exter<br />
nen Realität bleibt im wesentlichen unverändert. Es ist komplex, instabil,<br />
nicht selten bizarr <strong>und</strong> voller Inkonsistenzen. 101 Das <strong>Selbstmodell</strong> dagegen<br />
97 Vgl. Dennett 1981; Fodor 1981a; Malcolm 1959.<br />
98 Vgl. Hinton ⁄ Sejnowski 1986; Hobson ⁄ McCarley 1979; McCarley 1983.<br />
99 Vgl. Crick ⁄ Mitchison 1983.<br />
100 Daß er zumindest eine psychohygienische Funktion haben könnte, legt die Beobach<br />
tung der Senoi Traumkultur nahe. In manchen nicht westlichen Kulturen ist nämlich auf<br />
gr<strong>und</strong> anderer ontologischer Gr<strong>und</strong>annahmen die Fähigkeit zum Klarträumen weit besser<br />
entwickelt worden. Das wichtigste Beispiel sind hier die Senoi in Malaysien (vgl. Stewart<br />
1972a). Besonders interessant erscheint, daß die in diesen Gesellschaften gut entwickelte<br />
Traumhygiene möglicherweise mit dem Phänomen zusammenhängt, daß es in dieser Kultur<br />
kaum Geisteskrankheiten, asoziales Verhalten <strong>und</strong> Kapitalverbrechen gab <strong>und</strong> gibt. Die Ein<br />
schätzung der Senoi Traumkultur ist allerdings stark umstritten; vgl. Dentan 1988.<br />
101 Eine vorsichtige neurologische Vermutung über das Zustandekommen dieser Situation<br />
könnte lauten: Träume beginnen immer dann, wenn das allgemeine Erregungsniveau des