Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints
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200<br />
3. Kapitel<br />
Gehalt Information über den Typ von Zustand gehört, den sie instantiie<br />
ren. Luzide ist ein Realitätsmodell genau dann, wenn in ihm die Tatsache,<br />
daß es ein Modell der Wirklichkeit ist, <strong>und</strong> der Typ von Realitätsmodell, zu<br />
dem es gehört, mitrepräsentiert ist. In diesem Sinne ist unser normales<br />
Wachbewußtsein ein nicht luzides Realitätsmodell.<br />
(4) Eine Person ist genau dann luzide, wenn sie sich bewußt ist, daß sie<br />
sich in einem bestimmten Bewußtseinzustand befindet <strong>und</strong> wenn sie weiß,<br />
daß sie sich in eben jenem Bewußtseinzustand befindet.<br />
Da die empirische Erforschung des Phänomens „Klartraum“ sich noch<br />
in seiner Anfangsphase befindet, ist die philosophische Analyse in Erman<br />
gelung einer Theorie 93 , deren Metatheorie sie sein könnte, auf phänomeno<br />
logische Spurensuche angewiesen. Prominente Philosophen der analyti<br />
schen Tradition haben sich in der Vergangenheit bereits mit der Frage<br />
auseinandergesetzt, ob Träume allein aus begrifflichen Gründen als Erleb<br />
nissegeltenkönnenodernicht. 94 Für eine philosophische Oneirologie be<br />
steht dagegen heute das Problem, daß sie ein sich ständig vergrößerndes<br />
empirisches Wissen über das Phänomen „Traum“ nicht mehr ignorieren<br />
kann, sondern interpretierend in ihre Theorien integrieren muß.<br />
Nicht luzide Träume sind keine Erlebnisse in einem starken Sinne, weil<br />
sie während sie sich ereignen nicht meine Erlebnisse sind. Der normale<br />
Träumer gleicht nicht selten einem Betrunkenen, der sich in eine Geister<br />
bahn verirrt hat: Ohne zu wissen, wer er ist, <strong>und</strong> ohne daß ihn auch die<br />
gröbsten Widersprüchlichkeiten <strong>und</strong> Inkongruenzen innerhalb der Traum<br />
realität dazu veranlassen, dieser gegenüber eine kritische Haltung einzu<br />
nehmen, taumelt er von einer Verw<strong>und</strong>erung ins nächste Entsetzen ohne<br />
jemals zum <strong>Subjekt</strong> zu werden. Die bizarren Episoden des Nachtlebens<br />
verwandeln sich nur dann in Elemente unseres Lebens, wenn wir uns beim<br />
Aufwachen (beim Überwechseln in einen anderen repräsentationalen Ge<br />
samtzustand) an sie erinnern. So nicht der Vorhang des Vergessens schon<br />
beim Aufwachen fällt, versuchen wir nachdem der Übergang in das viel<br />
stärker input determinierte Modell des Wachzustandes sich ereignet hat<br />
kopfschüttelnd zu verstehen, wie uns so etwas widerfahren konnte. Dabei<br />
ist es uns gar nicht widerfahren! Was uns widerfährt, ist genau betrachtet<br />
das plötzliche Auftreten von Erinnerungen an mentale Zustände, in de<br />
nen es zwar einen phänomenalen Innenraum, aber kein stabiles psychologi<br />
sches <strong>Subjekt</strong> gab.<br />
Dies mag wie eine Version der Dennettschen „Cassetten Theorie“ der<br />
Traumbewußtheit erscheinen 95 , bei der die Prozesse der Komposition <strong>und</strong><br />
Aufzeichnung völlig unbewußt sind <strong>und</strong> erst beim Aufwachen in Erlebnisse<br />
transformiert werden. Dahinter steht jedoch eine wesentlich schwierigere<br />
Frage: Sind nicht luzide Träume subjektiv im Nagelschen Sinne? 96 Tritt im<br />
93 Vgl. jedoch Blackmore 1988.<br />
94 Vgl. Malcolm 1959; <strong>und</strong> auch die Kritik von Putnam 1964 <strong>und</strong> Dennett 1981.<br />
95 Vgl. Dennett 1981.<br />
96 Vgl. Nagel 1974(1981).