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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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198<br />

3. Kapitel<br />

sante Frage ist, ob es eine spezifische Anwendung von Klarträumen für den<br />

Philosophen oder Wissenschaftstheoretiker gibt. Bis zum heutigen Zeit<br />

punkt war alle Philosophie Philosophie im Wachzustand. Könnteeseine<br />

Zustandsspezifität der Philosophie 86 im Sinne einer besonderen Klasse von<br />

Problemen geben, die nur innerhalb eines bestimmten Bewußseinszustan<br />

des gesehen <strong>und</strong> gelöst werden können?<br />

Das Phänomen des Klarträumens ist seit Jahrtausenden bekannt. In den<br />

Brennpunkt seriösen wissenschaftlichen Interesses rückte es erst während<br />

der letzten zwei Jahrzehnte. Als Anfangspunkt dieser Entwicklung kann<br />

vielleicht Celia Greens 1968 erschienenes Buch gelten. 87 Die ersten beiden<br />

Dissertationen zum Thema erschienen in den Jahren 1978 <strong>und</strong> 1980. 88<br />

Man kann sagen, daß sich die Erforschung des luziden Träumens noch in<br />

einem präparadigmatischen Stadium befindet ein Umstand, der diesem<br />

psychischen Phänomen die erhöhte Aufmerksamkeit von Wissenschafts<br />

theoretikern <strong>und</strong> an den metatheoretischen Aspekten der Cognitive Science<br />

interessierten Philosophen eintragen sollte.<br />

Wenn wir luzide werden <strong>und</strong> ein gewöhnlicher Traum sich in einen<br />

Klartraum verwandelt, entsteht ein psychologisches <strong>Subjekt</strong>: Es gibt nun<br />

einen Erfahrenden, der um sich selbst, seinen Bewußtseinszustand <strong>und</strong><br />

seine Handlungsfreiheit weiß. Dies betrifft besonders die Interaktion mit<br />

Traumfiguren: Sind mir im Klartraum begegnende Traumfiguren auto<br />

nome Personen, insbesondere wenn sie dies behaupten <strong>und</strong> rational dafür<br />

argumentieren? Diese Frage allein aus der Perspektive des Wachzustandes<br />

zu beantworten, könnte eine schwer zu begründende Form des Chauvinis<br />

mus sein. Putnam hat bereits 1964 die Frage diskutiert, ob man nicht biolo<br />

gischen aber psychologisch dem Menschen weitgehend isomorphen Syste<br />

men Bürgerrechte zugestehen sollte. 89 Er hatte dabei Roboter im Sinn, also<br />

funktionale Systeme, die in Form von Artefakten instantiiert sind. Setze<br />

ich einen funktionalen Materialismus als Hintergr<strong>und</strong>annahme über die<br />

Natur mentaler Zustände 90 voraus, so könnten Traumfiguren, die mir im<br />

86 Vgl. hierzu Tart 1975.<br />

87 Vgl. Green 1968; einen kurzen Literaturüberblick von Aristoteles bis zu diesem Zeit<br />

punkt gibt LaBerge 1988.<br />

88 Vgl. Gackenbach 1978 <strong>und</strong> LaBerge 1980; diese beiden Autoren zählen auch zu den<br />

Herausgebern der ersten provisorischen Fachzeitschrift, dem seit 1981 erscheinenden Lucidi<br />

ty Letter.<br />

89 Vgl. Putnam 1964,1975; siehe auch <strong>Metzinger</strong> 1985: 192ff.<br />

90 Vgl. Putnam 1981; zur Problematik der oben angesprochenen Hintergr<strong>und</strong>annahme mit<br />

Blick auf eine Psychologie der propositionalen Einstellungen vgl. Putnam 1991. Dort schreibt<br />

Putnam über die Unmöglichkeit einer befriedigenden funktionalistischen Theorie des inten<br />

tionalen Gehalts mentaler Zustände: „Doch wenn es darum geht, eine Theorie aufzustellen, die<br />

die propositionalen Einstellungen, die semantischen Begriffe mit Bezug auf alle möglichen<br />

Spezies erklärt, dann stehen wir dem Problem gegenüber, daß unsere Theorie die möglichen<br />

Begriffsbildungsweisen aller physikalisch möglichen Wesen „überblicken“ muß. . . . Die Idee der<br />

Suche nach einer berechenbaren (oder auch nur wohldefinierten) Äquivalenzrelation zwischen<br />

funktionalen Zuständen, die der durch die Praxis der „guten Interpreten“ implizit definierten<br />

Äquivalenzrelation entspricht, stößt in der bodenlosen Endlosigkeit der Gesamtheit der („im<br />

Prinzip“) zu interpretierenden Begriffsschemata auf eine unüberwindliche Schwierigkeit.“(Put<br />

nam 1991: 166, 167)

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