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Metzinger · Subjekt und Selbstmodell - Cogprints

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190<br />

3. Kapitel<br />

NunkanneinMenschimLaufeseinesLebens vor allem seines frühen<br />

Lebens mit „inkonsistenten gesellschaftlichen Datenmengen“ konfron<br />

tiert werden, also mit zwischenmenschlichen Situationen, die es ihm un<br />

möglich machen, sie durch die Erzeugung eines einzigen inneren Selbst<br />

bilds psychisch <strong>und</strong> funktional zu bewältigen. Die interessante Entdeckung,<br />

auf die ich in diesem Abschnitt das Augenmerk meiner Leser lenken möch<br />

te, ist nun, daß menschliche Gehirne scheinbar, wenn sie in bestimmten<br />

frühen Phasen ihrer Entwicklung mit nicht zu bewältigenden, inkompati<br />

blen sozialen Situationen konfrontiert werden, auch mehrere<strong>Selbstmodell</strong>e<br />

„zu verschiedenen Zwecken“ erzeugen können. Manchmal erlangen diese<br />

multiplen <strong>Selbstmodell</strong>e eine weitgehende Autonomie <strong>und</strong> werden zu per<br />

manenten Bestandteilen des Innenlebens der betreffenden Person. In unse<br />

rem theoretischen Zusammenhang sind diese (gar nicht so seltenen <strong>und</strong> gut<br />

dokumentierten) Phänomene deshalb von Interesse, weil sie multiple bzw.<br />

alternierende phänomenale Perspektiven inein<strong>und</strong>demselbenRepräsenta<br />

tionssystem mit sich bringen.<br />

Wovon ich hier spreche, sind sogenannte Dissociative Identity Disorders<br />

(DIDs). Hierbei handelt es sich um einen Typ von psychiatrischen Stö<br />

rungsbildern, der sehr häufig auf extreme frühkindliche Traumata zurück<br />

zuführen ist (in den allermeisten Fällen ist das sexueller Mißbrauch durch<br />

ein Elternteil, überwiegend den Vater). Nach offiziellen diagnostischen<br />

Definitionen sind Fälle multipler Persönlichkeit dadurch gekennzeichnet,<br />

daß innerhalb eines Individuums zwei oder mehr 69 Persönlichkeiten exi<br />

stieren, die zu unterschiedlichen Zeiten dominant werden <strong>und</strong> dann das<br />

Verhalten des Individuums bestimmen. Jede dieser Unterpersönlichkeiten<br />

besitzt eine komplexe Struktur sowie eigene, unverwechselbare Verhaltens<br />

muster <strong>und</strong> soziale Beziehungen. Meistens gibt es eine „Gastgeberpersön<br />

lichkeit“ (die gewöhnlich amnestisch bezüglich der Episoden ist, in denen<br />

andere Persönlichkeiten die Bühne betreten) <strong>und</strong> eine Reihe von „Alter<br />

Egos“, die sich normalerweise mit je eigenen Namen benennen. Keine der<br />

Persönlichkeiten scheint über ein volles emotionales Spektrum zu verfü<br />

gen. Häufig ist die Gastgeberpersönlichkeit affektiv <strong>und</strong>ifferenziert, wäh<br />

rend die Gastpersönlichkeiten ein in verschiedenen Richtungen übertriebe<br />

nes affektives Profil besitzen das sie dadurch für bestimmte soziale<br />

Situationen „geeignet“ macht. Die verschiedenen Subpersönlichkeiten<br />

scheinen ein allgemeines Hintergr<strong>und</strong>wissen über die Welt miteinander zu<br />

teilen, aber eine eigene Lebenserfahrung <strong>und</strong> ein spezifisches Selbstgefühl<br />

Begriff des „mentalen Modells“: „It seems likely that Vygotskyan and Meadean abilities have<br />

evolved from abilites to construct Craikian models (. . .). It may be, however, that although the<br />

mechanisms have evolved in this way, what we experience as consciousness, the phenomenology<br />

of explicitly knowing, and knowing that we know, derives from the socially derived sense of the<br />

self as director and as part of the comparison processes of consciousness. If so, the phenomenolo<br />

gy would be affected by, and derivative from, this sense.“ (Oatley 1988: 378; vgl. dazu auch<br />

Oatley 1985)<br />

69 Statistisch gesehen, legt sich eine durchschnittliche Anzahl von elf Subpersönlichkeiten<br />

nahe.Vgl.Dennett⁄ Humphrey 1989: 70.

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